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Eine Nadel im elektronischen Misthaufen Von Ralf Sotscheck

Jetzt habe ich es kapiert, ich kann zwischen Megabyte und Megapint sowie zwischen IRA und IRQ unterscheiden. Eine persönliche Nachhilfestunde des Internet- Wunderknaben Dieter „weltweit“ Grönling, der mich auf der Internet-Seite der taz als Technofossil geoutet hatte, brachte zu vorgerückter Stunde in einer Berliner Eckkneipe Licht ins Dunkel. Mit dem auf einem Bierdeckel notierten Grundwissen reiste ich voller Optimismus zurück nach Dublin.

Es nützte gar nichts, mein Computer ist ein sturer Geselle. Zwar hat er inzwischen eingesehen, daß ich ein Modem besitze, nachdem er das wochenlang geleugnet hatte, doch wenn ich die Internet-Nummer von „Ireland On-Line“ wähle, antwortet er mit einem „Fatal Error“. Aus der Tiefe des Geräts vermeine ich ein leises Kichern zu vernehmen. Der gehässige Kasten hat Humor, das muß ich ihm lassen. Manchmal, wenn man ihn einschaltet, ranken sich Blümchen um die Dateinamen, obwohl ich ihm das ausdrücklich verboten habe. Ein anderes Mal ist eine gestreifte Tapete im Hintergrund, die zwar hübsch aussieht, aber der Lesbarkeit der Dateinamen schwer abträglich ist. Und wenn man ihn ausschaltet, hört es sich an, als ob ein Dutzend Miniatur-Handwerker im Gerät den Befehl mit Hämmerchen ausführten.

Aber es gibt ja nicht nur in Berlin Experten, sondern auch in Dublin – gleich fünf davon in meinem Bekanntenkreis. Einer nach dem anderen nahm sich das Gerät zur Brust. Eindeutig ein Hardware- Problem, diagnostizierte einer. Klarer Fall von Software-Problem, meinte der andere. „Beides“, meinte ein 15jährige Schlaumeier und fügte hinzu, es sei wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Im elektronischen Misthaufen eher. Ein jeder, dem die Kiste in die Hände fiel, spielte mir ein „klasse Programm“ auf die Festplatte. Zwar ist mir die Welt des Internet nach wie vor verschlossen, aber ich kann dafür per Flugsimulator um die Welt fliegen, gegen den Elektro-Fiesling Doppelkopf spielen oder im virtuellen Dschungel Schätze suchen.

Und Ireland On-Line, die die Kundschaft eigentlich durch den Internet-Dschungel führen sollen? Bei meinem Hilferuf mußte ich 20 Minuten warten, bis jemand abhob. Eine freundliche Stimme schwor pausenlos, daß ich schon ganz oben in der Warteschleife kreiste. Schließlich meldete sich ein junger Mann, hörte mir geduldig zu und verkündete dann, daß er nur der Sekretär sei und von „diesem Elektronik-Zeugs“ noch weniger verstünde als ich. Warum er überhaupt abgehoben habe? „Du hast mir so leid getan, weil du schon so lange gewartet hattest.“ Der versprochene Rückruf kam nie. Auf Bettelbriefe nach der geeigneten Software reagierten die Herren über meine Internet-Verbindung erst recht nicht. Als ich wutentbrannt kündigte, ignorierten die Elektronik- Piraten das und zogen geschwind 400 Mark von meinem Konto ab.

So arbeite ich weiter auf meinem höflichen Amstrad 1512 und übertrage meine Artikel problemlos mit 300 Baud zum Mitlesen. Der neue Computer hat aber einen attraktiven Bildschirmschoner, der sich auf dem Regal sehr gut macht: eine Guinness-Reklame. Grönlings Bierdeckel mit dem Computergrundwissen tut ebenfalls gute Dienste. Ich stelle jeden Abend meinen Megapint darauf.

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