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Voll die geile Nummer

■ Viele Zahlen, kein Sex: Sonntag gastieren die gigantomanischen Stones auf der Trabrennbahn

Alter, das waren Zeiten: Die Stones '69 im Hyde Park. Kein Eintritt, ein bißchen Verkehrschaos, viel Frieden, 'ne halbe Millionen Menschen breit, und Mick Jagger schreit in zwei mit Paketband zusammengeklebte Mikros. Es existieren ein paar imposante Filmaufnahmen von dem schön improvisiert wirkenden Londoner Happening, aber an die Massenaufläufe, die die Herren heute auf ihre alten Tage hervorrufen, erinnert nichts mehr.

Pekuniäre Aspekte, Reflexionen über den Weltfrieden, Studien zum Transportwesen, bewußtseinsverändernde Substanzen – inzwischen hat sich bei den Rolling Stones und ihren Mammutveranstaltungen alles geändert. Stichwort Geld: Die Tickets für die Konzerte kosten meist um die 100 Mark, das ist beeindruckend, und zumindest eine deutsche Agentur ist schon an den horrenden Gagenvorzahlungen an die in Finanzsachen überhaupt nicht zimperliche Band zugrunde gegangen. Stichwort Anreise: Auch in Hamburg wurden minutiöse polizeiliche Vorkehrungen getroffen, wie die Massen nach Bahrenfeld rangeschafft werden sollen. Stichwort Drogen: Die sind so gut wie nicht zu haben, da wie immer bei Open-airs auf der Trabrennbahn ein Zapfhahn auf 5000 Besucher kommen wird. Das führt uns zum Stichwort Krieg und Frieden: Wer Flaschen aufs Gelände schmuggelt, kriegt von den Ordnern auf die Fresse.

Okay, wir sind mal wieder Miesmacher. Dabei gibt es tatsächlich einiges zu loben: 90.000 werden anreisen, und wenn alle mitspielen, könnte nach Meinung von Polizei und Veranstaltern das Chaos vermieden werden: Die U- und S-Bahnen fahren im Kernbereich im Fünf- bis Zehnminutentakt, von den S-Bahnhaltestellen Othmarschen und Stellingen gibt es einen kostenlosen Shuttle-Service zur Trabrennbahn.

Alles ganz easy also. Findet auch die Agentur KPS, die die Auflagen für die Zulassung des Spektakels leicht erfüllen konnte: Die Pforten des Geländes mußten von acht auf 23 Meter erweitert werden, und – das klingt bei dieser Gigantomanie irgendwie niedlich – das Angebot an Parkplältzen mußte von 1000 auf 1500 aufgestockt werden.

Bleiben wir bei den Zahlen, die sind bei diesem generalstabsmäßig geplanten Unterfangen geradezu sinnlich. Wenn die Stones am Sonntag um 19.30 Uhr (Einlaß: 14 Uhr) unter viel pyromanischem Budenzauber auf die 54 Meter breite Bühne steigen, werden 48 Laserkanonen abgeschossen, 350 Lichtdesigns sollen im Anschluß ihre farbige Wirkung erzielen, und damit alles klappt, sind schon jetzt 125 Crew-Mitglieder, 75 Gerüstbauer und 45 weitere Helfer im Einsatz. Falls doch was schief geht, ist das nicht schlimm: Das Rote Kreuz bringt am Sonntag rund 200 Mitarbeiter in Position, darunter 15 Notärzte. Wir wünschen allen, die für das seit Monaten ausverkaufte Konzert Tickets ergattert haben, viel Spaß. Gott sei Eurer Seele gnädig.

Christian Buß

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