: Abreißen und Bauen unter rollendem Rad
■ Oben fahren täglich 550 Personenzüge. Unten schlagen Arbeiter die Bresche der neuen Bahnhofspassage ins alte Mauerwerk
Wenn das die vielen Menschen wüßten, die jeden Tag über die Bahnsteige des Bremer Hauptbahnhofes hasten: Unter ihnen ist nichts, oder zumindest nicht mehr das solide Mauerwerk, das ein gutes Jahrhundert lang die Gleise und Plattformen trug. Denn im Tunnel unter den Gleisen sind, von den fast 100.000 Bahnhofspassanten nur durch dünne silbrige Bleche abgeschirmt, die Bauarbeiter zugange. 35 Mann und eine Reihe kleiner Bagger haben in den gut drei Monaten seit Beginn des Bahnhofs-Umbaus schon den Unterbau bis zum Gleis fünf weggerissen und die darüber liegende Plattform mit schweren Stahlträgern abgestützt.
Um zwischen Bahnhofshalle und der Passage Bürgerweide einen 33 Meter breiten Durchgang mit Geschäften, Schließfächern, Fahrstühlen und Treppen zu den Bahnsteigen zu schaffen, müssen die Arbeiter der Firma August Prien 10.000 Kubikmeter Schutt und 2.500 Kubikmeter Sand aus dem engen Schlauch der Baustelle schaffen. Unablässig bringt ein Kleinst-Laster Mauerbrocken die enge Rampe herauf. Anstelle der Mauern werden bald 4.000 Kubikmeter Beton und Stahlträger die Bahnsteige stützen. „Dadurch wird das alles lichter und leichter“, sagt Bauleiter Ulfert Preuß.
Für die Ingenieure ist der Bahnhofsausbau, vom Volumen her mit 130 Millionen Mark fast doppelt so groß wie die Baustelle der BSAG auf dem Bahnhofsplatz, eine harte Nuß: „Alles passiert unter rollendem Rad“, sagt Projektleiter Karl-Heinz Stürmer von der Deutschen Bahn AG.
Während seine Leute unter den Gleisen schuften, rollen darüber jeden Tag 550 Personenzüge und 1.200 Rangierfahrten, nachts rumpeln Güterzüge durch den Bremer Hauptbahnhof. Rund um die Uhr wird darum nur an Wochenenden gearbeitet. Nur dann erlaubt die Bahn die Zugpausen, die nötig sind, die Mauerteile endgültig wegzureißen und die Stahlträger unter die kurzzeitig freischwebenden Gleise zu ziehen. Bis Frühjahr 2000 soll der Ausbau fertig sein. jof
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