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Diepgen in der Offensive

Eines hat Eberhard Diepgen von Kanzler Kohl gelernt: Aussitzen ist oft die vielversprechendste Variante, ein Vorhaben zu Fall zu bringen. Wenn Diepgen ernsthaft daran gelegen hätte, das Holocaust-Mahnmal aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten, hätte er dafür sorgen können, daß der Senat noch vor der Sommerpause über den Eisenman-Entwurf berät. Das Modell war seit Juni in Berlin. Doch Diepgen hat eine frühzeitige Beratung unterlassen, und das wohl mit Kalkül.

Mit der Übereinkunft, die Entscheidung zu verschieben, hat Diepgen gleich doppelt die Oberhand gewonnen. Der Kanzler dürfte zugestimmt haben, damit sein Projekt nicht durch eine Pattsituation im Senat Schaden nimmt. So ist es Diepgen einmal gelungen, sich gegen den übermächtigen Kanzler durchzusetzen, der ihn bei Berliner Finanzwünschen – zum Beispiel Hauptstadtkultur – oft genug hat auflaufen lassen. Und selten hat Diepgen die SPD so in die Defensive getrieben – die Sozialdemokraten müssen heute darum kämpfen, daß der Senat nicht von seinem Beschluß abrückt, sondern am Holocaust-Mahnmal samt Standort festhält. Hätte nicht die Diepgen-Kohl-Entente den Entscheidungsdruck vom Senat genommen, wäre es durchaus denkbar gewesen, daß sich die SPD heute durchgesetzt hätte. Nun ist wieder alles offen. Womöglich hofft Diepgen auf eine unheilige Allianz mit SPD-Kanzlerkandidat Schröder und dessen Kulturminister Naumann, der dem Mahnmal ablehnend gegenübersteht. Dorothee Winden Seite 4 und 22

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