: Quixt mir was! Von Frank M. Ziegler
Der romantische Freund meiner Bekannten Frollein Eva Klapproth hat ihr ein „Quix“ geschenkt, damit er sie „überall erreichen kann“. Ein Quix ist ja ein Ding, auf dem kurze Nachrichten erscheinen, ohne die man nicht mehr leben kann. Drei Wochen nach dem Quix wurde der romantische Freund meiner Bekannten mit einer anderen Dame romantisch, und Frollein Klapproth hat sich deshalb höchst unromantisch von ihm getrennt.
Jetzt „quixt“ ihr niemand mehr was. Dauernd tastet sie unruhig nach dem Quix, damit ihr ja nicht entgeht, falls es plötzlich vibriert. Aber es vibriert nie. Quixe vibrieren nämlich nur, wenn jemand bei der netten Dame vom Quix-Dienst anruft und eine maximal 80 Zeichen lange Nachricht an den Quixbesitzer übermittelt. „Ich liebe dich“, oder „Oma ist tot! Ruf an!“
Also heischt Frollein Klapproth nach neuer Aufmerksamkeit. „Quixt mir was!“ jammert sie bei jeder Begegnung. „Quixt mir was!“ bettelt sie uns auf den Anrufbeantworter. Dazu muß man sagen, daß Frollein Klapproth nur eine Wohnung unter mir wohnt, und wir sehen uns eh dauernd, und was, bitte schön, soll ich ihr denn Wichtiges quixen? Auch Jochen und Sabine, die mit Frollein Klapproth in einer WG wohnen, werden von dieser zum ständigen Quixen genötigt. Jochen wählte also die zu Frollein Klapproth gehörige Quix- Nummer an, und eine nette Dame fragte ihn: „Welche Nachricht möchten Sie dem Teilnehmer übermitteln?“ Da war Jochen sehr überrascht! Wie hätte er auch ahnen sollen, daß man seine Quixnachrichten an Frollein Klapproth erst einer wildfremden Frau mitteilen muß? Eigentlich wollte er ja „Raider heißt jetzt Quix“ quixen, aber dann war ihm das peinlich vor der fremden Dame, und er quixte lieber „Bin in meinem Zimmer. Besuch mich doch. Jochen.“ Die freundliche Dame sagte „Herzlichen Dank für Ihren Auftrag“, und zwei Minuten später kam Frollein Klapproth überglücklich in Jochens Zimmer, trank Tee mit ihm und forderte ihn auf, ihr „ganz bald wieder was“ zu quixen.
Um Frollein Klapproth von ihrer Quix-Abhängigkeit zu befreien, taten sich ihre Freunde nun zusammen, riefen ständig die fremde Dame und quixten ohn' Scham und Unterlaß: Jochen immer Naheliegendes („Eben hat es geklingelt“), Sabine mehr Doofes („Liebe Grüße aus Kenia sendet dir Helga Beimer“) und ich eher Nerviges („Hast du mal 5 Mack für Kippen?“). Um Frollein Klapproth den Spaß am Quix völlig zu verderben, orderten wir zudem massenhaft Quix-messages aus dem weiteren Bekanntenkreis, was zu Ergebnissen führte wie „Deine Zeit ist abgelaufen, wir kriegen dich!“. Einige Tage später verschwand Frollein Klapproths Quix auf Nimmerwiedersehen in einer ihrer unzähligen Schreibtischschubladen. Sieg des Menschen über die Abhängigkeit von der Technik!
Gestern hat mir Jochen seine neue Armbanduhr gezeigt. „Das is' 'ne Scall“, prahlte er. Auf dem Anrufbeantworter der WG hört man seitdem Jochens Stimme: „Wir sind nicht da. Sprechen Sie nach dem Pieps, oder versuchen Sie, Jochen auf seiner Scall-Uhr zu erreichen. Die Nummer lautet...“
Lieber sterbe ich, Jochen! Und sobald ich irgendwo ein billiges Zimmer kriege, ziehe ich aus diesem Haus des Kommunikationssumpfes aus! Ich schwör's!
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