: Drogenhilfe ohne Süchtige
■ Synanon schließt Wohnheim. Abhängige nutzen andere Konzepte
Die Einrichtungen für die Hilfe Drogenabhängiger leiden an Unterbelegung. Besondere Probleme damit hat das Selbsthilfeprojekt Synanon. Für die 431 Wohnungen, die Synanon in Lichtenberg bereitstellte, konnten nur 175 Bewohner gefunden werden. Der riesige Komplex an der Herzbergstraße – gefördert mit 93 Millionen Mark aus der Senatskasse – mußte 1996 an einen Immobilienfonds verkauft werden. Im Oktober zieht Synanon nun wieder zurück nach Kreuzberg.
Synanon arbeitet mit dem sogenannten kalten Entzug, hält die Süchtigen also strikt von der Droge fern. Nun wirft es dem Land eine falsche Drogenpolitik vor. Denn von den derzeit 8.000 Drogenabhängigen nehmen rund 2.000 an Therapien teil, die mit der Ersatzdroge Methadon unterstützt werden. Diese Methadonprojekte macht der Leiter des Hauses in Lichtenberg, Peter Elsing, unter anderem für die Schließung dieser Einrichtung verantwortlich. „Wenn diese Angebote nicht bestünden, hätten wir das Haus eher voll gekriegt,“ versichert Elsing.
Elfriede Schulte vom Gesundheitsmobil sieht das anders: „Synanon hat ein zu hartes Konzept. Es kommen viele ans Kottbusser Tor zurück, die Synanon nicht durchgestanden haben. Die meisten Süchtigen wollen warmen Entzug.“
Elisabeth Tohermes vom Café Druckausgleich hält Synanon für einen „Durchlauferhitzer“. Die Leiterin des Kontaktladens für Substituierte kennt den Vorwurf von Synanon schon lange: „Niemand nimmt einer Heileinrichtung die Patienten weg. Freie Plätze gab es auch schon vor Methadon.“
Und doch macht Wolfram Page, Vorsitzender des Drogenvereins Almedro e.V., ähnliche Erfahrungen wie Synanon. Die kleine Therapieeinrichtung in Treptow ist nur zur Hälfte belegt.
Eine Rückfrage beim Drogenreferat ergibt, daß der Senat die verschiedenen Therapieformen unterschiedslos unterstützt. „Die eigentliche Frage ist nämlich nicht, welche Entzugstherapie die beste ist.“ Michael de Ridder, Oberarzt im Urban-Krankenhaus, betrachtet das Synanon-Konzept als eines unter vielen. „Wir müssen in erster Linie herausfinden, für welche Patienten welche Therapie die beste ist. Einen Königsweg, wie ihn Synanon für sich beansprucht, gibt es nicht.“ Andy Leipelt
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