: Vietnam will Häftlinge und Dissidenten amnestieren
■ Amnestie betrifft soviel Gefangene wie noch nie, doch ein politischer Frühling ist nicht in Sicht
Bangkok (taz) – Der vietnamesische Arzt Ngyuen Dan Que hat für seine Zivilcourage teuer bezahlt. Seit 1978 sitzt der heute 55jährige fast ununterbrochen im Gefängnis, weil er immer wieder gegen Menschenrechtsverletzungen in seinem Land protestiert hat. Als er 1988 nach Einzelhaft und Mißhandlungen erstmals entlassen wurde, schrieb er bald wieder kritische Artikel. 1990 wurde er erneut festgenommen und zu zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Jetzt kommt er frei: 5.219 Häftlinge, darunter auch prominente politische Gefangene wie Que, will Vietnams Regierung vor dem Jahrestag der Unabhängigkeit am 2. September amnestieren. Das kündigte gestern der Leiter des Präsidialamtes in Hanoi an. Que werde wohl ebenso wie der bekannte Dissident Doan Viet Hoat in die USA oder nach Europa ausreisen.
Hoat war im vergangenen Jahr mit der „Goldenen Feder der Freiheit“ ausgezeichnet worden, die von einer weltweiten Vereinigung von Zeitungsverlegern verliehen wird. Auch das Europäische Parlament und Menschenrechtsgruppen hatten sich für ihn eingesetzt. Bereits kurz nach Ende des Vietnamkriegs 1975 war Hoat wie Zehntausende aus dem Süden in sogenannte Umerziehungslager gesperrt worden. Trotzdem war er nach seiner Entlassung Ende der achtziger Jahre nicht verstummt: Er schloß sich einer Gruppe von Intellektuellen, ehemaligen Offizieren und früheren Unterstützern der Kommunistischen Partei an, die eine Untergrundzeitung gründeten und ein Mehrparteiensystem forderten. 1990 verhaftet, wurde Hoat drei Jahre später wegen „Versuch des Umsturzes“ zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Vietnams Regierung behauptete stets, Häftlinge wie Que und Hoat seien gewöhnliche Kriminelle. Nach Informationen von amnesty international sind noch Dutzende politische Gefangene eingesperrt, das US-Außenministerium spricht von rund 200. Bereits in den letzten Monaten waren einige politische Häftlinge stillschweigend freigelassen worden. Amnestien zum Jahrestag der Erklärung der Unabhängigkeit sind üblich. Diesmal kommen jedoch mehr Personen als sonst frei.
Doch ein politischer Frühling ist noch fern, wie Ngyuen Hoang Linh, Ex-Chefredakteur der staatlichen Zeitung Doanh Ngieph, derzeit erleben muß. Er wurde vergangenen Oktober verhaftet, weil sein Blatt über Schmiergeldzahlungen beim staatlichen Einkauf ausländischer Schiffe berichtet hatte. Dies brachte ihm 15 Jahre Gefängnis, die inzwischen auf drei gesenkt wurden. Linh hatte offenbar die Aufrufe der Parteiführer, die Korruption zu bekämpfen, mißverstanden. Jutta Lietsch
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