piwik no script img

Er, die Bar und die Gummipuppe

Das DV8 Physical Theatre überzeugt mit Männerträumen in Endlosschlaufen  ■ Von Matthias von Hartz

Männerträume. Enter Achilles beginnt und endet mit dem Versuch einer Beziehung zu einer Gummipuppe. Anfangs noch wie ein Bauchrednerobjekt von Händen bewegt, ist sie am Schluß lebendig. Ihr Besitzer und Liebhaber scheint allerdings inzwischen fast das Leben gelassen zu haben. Zwar war er nur mit seinen Freunden trinken – aber das ist nicht eben ungefährlich, weil es im Pub viel zu beweisen gilt.

Mag der theatralische Kneipenbesuch auch anfangs von harmloser Yuppie-Eitelkeit dominiert sein, entsteht doch immer wieder schnell tierisches Hauen und Stechen. Das Faszinierende ist dabei DV8s Fähigkeit, aus kleinen Bewegungen perfekt komponierte Folgen zu entwickeln, in deren Endlosigkeit es scheinbar kein Anhalten gibt. Selbst aus dem Fallenlassen eines Bierglases wird bei den Briten Rollen für vier Personen quer über die Bühne. An dessen Ende machen sich sofort zwei Angerempelte auf den Weg zur Bar, wieder mischt sich realistische Bewegung mit Artistik, und wie zufällig entsteht durch ein kleines Gerangel Simultanität. Und da ist sie dann auch schon wieder, die Konkurrenz.

Soweit ist vieles zwar lustig, aber nicht neu, was DV8 in der Regie von Lloyd Newson an männlichem Gebaren in erstaunlich beiläufiger Sportlichkeit beleuchten. Doch die Konkurrenz ist nur das eine der allgegenwärtigen Ordnungsprinzipien in ihrem Männerpub. Die Ahndung der kleinsten Abweichung vom maskulinen Verhaltenskodex ist der spannendere Aspekt. Man gibt sich tolerant und kumpelig, doch was gerade noch bei zwei Männern nach harmlosem Beine-Übereinanderschlagen aussieht, ist auch maßregelnde Kommunikation und gerät schnell zum Kampf.

Wann immer die Männlichkeit in Gefahr ist, wird körperliche Stärke getestet . In einer Gruppenchoreographie des demonstrativen Desinteresses versucht man, einen pirouettendrehenden Weichling zu verdrängen. Der entpuppt sich aber als Superman, verschwindet und erscheint dementsprechend nach Belieben und entführt mehrere der harten Jungs zu Brusthaarrasur, Tänzen oder gar wunderbaren Ausflügen aufs Trapez. Männerängste?

Doch die Welt bleibt harmlos, der Pub ein Turnverein. Die Jungs turnen Boden und Seitpferd, für Mädchen und Schwule gibt es rhythmische Sportgymnastik. Da rotiert ein Ball leicht zwischen Unterarmen, bis einer kommt, den Mißbrauch bemerkt und das Objekt sofort seiner zweifelsfrei ursprünglichen Bestimmung zuführt: Fußball. Aus der Traum. Nur irgendwo am Bühnenhimmel ist noch der schwule Superman zu erahnen, der auch die Fußballtricks aufzunehmen weiß und in einen viel schöneren fließenden Tanz verwandelt.

Etwas zu cool und einfach ist die DV8-Welt schon. Superman ist der einzige Mann mit Selbstironie und kreist an einem Seil leicht wie ein Karussellpferd über dem männlichen Durcheinander. Das ist kitschig schön. Und vielleicht ein Männertraum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen