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Neue Ermittlungen in Oslebshausen

■ Staatsanwalt ermittelt in JVA: Unterlassene Hilfeleistung?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Beamte der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen wegen unterlassener Hilfeleistung. Die Beamten stehen im Verdacht, einen Untersuchungshäftling an einem Wochenende im März medizinisch nicht angemessen betreut zu haben. Der Mann klagte eigenen Angaben zufolge über starke Bauchschmerzen. Die Beamten gaben dem Mann ein Magenmittel. Später wurde der Häftling ins Diakonische Krankenhaus eingeliefert. Auch dort sollen Mediziner die Schmerzen zunächst unterschätzt haben. In Lingen wurde der Häftling später am Blinddarm operiert. „Selbst die Ärzte haben die Schmerzen unterschätzt, da kann man den Beamten keinen Vorwurf machen“, verteidigt Justizstaatsrat Mäurer die Bediensteten.

In zwei Wochen wird unterdessen das Urteil im JVA-Prozeß erwartet. Wie berichtet, stehen derzeit sieben Beamte vor Gericht, weil sie Häftlinge mißhandelt haben sollen. Ursprünglich waren neun Bedienstete angeklagt. Ein Beamter ist zwischenzeitlich freigesprochen worden. Ein weiteres Verfahren gegen eine Beamtin wurde eingestellt. Bislang sind in dem spektakulären Verfahren etwa 60 Zeugen vernommen worden. In Justizkreisen wird heftig darüber spekuliert, ob es zu einer Verurteilung kommen wird. Die Zeugen sind zum Teil von ihrer ursprünglichen Aussage vor der Staatsanwaltschaft abgerückt, so daß ihre Glaubwürdigkeit von Prozeßbeobachtern in Zweifel gezogen wird.

Die Justizvollzugsanstalt war im vergangenen Jahr mehrfach – unter anderem wegen der mangelnden medizinischen Versorgung – in die Schlagzeilen geraten. Im Februar 1997, also ein Jahr vor den jetzt zu ermittelnden Vorwürfen wegen unterlassener Hilfeleistung, war ein Häftling nach einem Schwächeanfall medizinisch nicht versorgt worden. Mit einem Blutdruck von 80/40 mußte er schließlich ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Mai unterschätzten Bedienstete die Selbstmorddrohungen eines Häftlings. Anstatt den sozialpsy-chiatrischen Dienst einzuschalten, steckten sie den Mann in die Beruhigungszelle. Der Häftling erhängte sich.

Die Vorfälle waren Thema im Untersuchungsausschuß, der die Mißstände in der JVA aufklären soll. In der Zwischenzeit habe sich vieles in der Haftanstalt zum Positiven gewendet, so Mäurer: „Seit dem letzten Selbstmordfall hatten wir eine Vielzahl von besonderen Vorkommnissen dieser Art. Die Beamten haben die Häftlinge davon abgehalten, sich umzubringen. Das muß man auch sehen.“ kes

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