■ Das Portrait: Mit Riesenappetit durch Deutschland
Eine kleine, nur einen halben Zentimeter große Motte frißt sich durch Deutschland. Die Roßkastanienminiermotte, auch Cameraria ohridella genannt, war vor einigen Jahren noch hierzulande nur in Süddeutschland anzutreffen. Vor wenigen Wochen kamen die ersten Meldungen über den Kleinschmetterling aus dem Rheinland. Jetzt hat die Motte die Bundeshauptstadt Berlin erreicht. Wo er auftaucht, vermehrt sich der Pflanzenschädling explosionsartig.
Bis zu dreihundert Eier legt eine Motte auf Kastanienblättern ab. Die sich daraus entwickelnden Larven fallen über das Blattgrün her. Bis zu 90 Prozent der Blätter können an einem Baum absterben. Bei der Nahrungssuche ist der Schädling sehr wählerisch. Er ist grundsätzlich nur auf weißblühenden Roßkastanien zu finden. Die rötlich blühenden Kastanien verschmäht er.
Wird eine Kastanie über mehrere Jahre von der Motte stark geschädigt, droht gar ein Absterben des Baumes. Vermutlich weil Forstwissenschaftler befürchten, daß die schnelle Ausbreitung des Kleinschmetterlings langfristig zu einer drastischen Dezimierung des Kastanienbestandes führen wird, spricht die Nachrichtenagentur dpa auch – fälschlicherweise – von „Minimiermotten“. Doch ihren deutschen Namen „Roßkastanienminiermotte“ hat der Kleinschmetterling bekommen, weil die Larven auffällige Gänge, Minen eben, in die Blätter von Kastanienbäumen fressen.
Cameraria ohridella ist erstmals 1985 in Makedonien entdeckt und beschrieben worden. Dort bekam sie auch ihren lateinischen Namen: Die ersten Exemplare wurden am Ohrider See (= ohridella) gefunden. Noch nicht einig sind sich die Wissenschaftler, ob der Kleinschmetterling ursprünglich aus Asien oder Amerika eingewandert ist.
Vor neun Jahren wurde die Motte dann erstmals in Oberösterreich beobachtet. Innerhalb weniger Jahre hatte sie praktisch alle Roßkastanien der Alpenrepublik befallen. Von dort ging die Reise weiter: 1992 tauchte sie in Norditalien auf, und ein Jahr später wurde die Motte erstmals in Deutschland entdeckt, auf einer Autobahnraststätte bei München. Vermutung der Wissenschaftler: Die Motte fuhr per Anhalter.
Eine befriedigende Methode zur Bekämpfung der Motte gibt es derzeit noch nicht. Chemische Mittel würden auch andere Insekten töten. Um eine weitere Vermehrung zu verhindern, wird empfohlen, befallenes Laub einzusammeln und zu vernichten. Verbrennen kommt zumindest in Städten nicht ohne weiteres in Frage. Denn das Laub enthält zuviel Schwermetalle. Wolfgang Löhr
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