piwik no script img

Echt und reproduziert

Konrad Eyferths „Comic Interviews“ pflegen die Jagd nach Originalen und führen sie vor  ■ Von Ole Frahm

Es gibt merkwürdige Rituale. Wenn zum Beispiel ein Comic-Zeichner oder eine Comic-Zeichnerin an einem Ort auftaucht, der Namen wie Comic-Laden oder Comic-Salon trägt, bilden sich wie aus dem Nichts riesige Menschenschlangen. In ihnen halten alle Hände ein Comic-Album oder einen Zeichenblock. Alle warten geduldig, und alle warten lange auf ihre Trophäe. Sie wollen nicht nur eine authentische Signatur unter dem Werk, selbst eine Widmung mit Datum ist ihnen zu profan, sie lechzen nach einer eigens für sie angefertigten, originalen Zeichnung. Und das kann dauern.

In der mysteriösen Schlange wartete manches Mal auch Konrad Eyferth. Selbst Zeichner, genügte auch ihm die Zeichnung der Kollegen nicht. Er zückte den Stift und begann die oftmals mundfaulen Comic-ZeichnerInnen auf dem Papier auszufragen. Sein jetzt beim Hamburger Comic-Verlag Zwerchfell erschienener Band mit dem sachlichen Titel Comic-Interviews bündelt diese gezeichneten Gespräche.

Die Liste der Interviewten ist lang und illuster. Nur die wichtigsten zu nennen, wäre hier nicht der Platz. Von lokalen Größen wie Isabel Kreitz bis zu bundesdeutschen Berühmtheiten wie F.K. Waechter und internationalen Stars wie Charles Burns bequemten sich alle, ihre Antworten mit mehr oder weniger großem Ernst auszumalen. Wie wunderbar Comics als Medium zur Darstellung von Kommunikation dienen können, wird hier unauffällig bewiesen, indem mit den Mitteln der Comics kommuniziert wird. Eyferth wirft seinen kaum behaarten Kopf mit wenigen Strichen und der Frage „Wie geht's?“ auf das Blatt, und Ralf König antwortet mit einem seiner bekannten Knollnasenmännchen, das vom vielen Knollnasenmännchen-Zeichnen sichtlich derangiert und von Sternen umtanzt ist: „Nächste Frage.“

So belanglos dieser Dialog auch wirken mag, seine Zeichnung gibt präzise darüber Auskunft, unter welchen, eben nicht nur sprachlichen, Bedingungen solche Unterhaltungen geführt werden. Hier gibt gibt es keine „Kanäle“, durch die Worte wie Wasser fließen, und die sprachlichen Verhältnisse sind niemals herrschaftsfrei. Die Figuren, mit denen sich die ZeichnerInnen darstellen, haben keine „authentische“ Identität. Sie können ihr Äußeres von einem Panel zum nächsten wandeln, sie können sich ganz auflösen, und sie können monströs – zum Wasserstrudel ebenso wie zum Tier – werden. Auf Eyferths Interview-Seiten erscheint die ganze Seltsamkeit sprachlicher Handlungen, erscheint deren Zerbrechlichkeit und notwendige Unabgeschlossenheit.

Es gibt merkwürdige Fetische. Eyferth führt den der Signatur und des Originals durch seinen Band erfolgreich vor. Viele ZeichnerInnen beweisen, daß sie ausgezeichnete Comics machen, aber miserabel aus der Hand zeichnen. Indem Eyferth, anders als andere Comic-Fans, seine mühsam eroberten Originale wieder der Reproduktion als Comic zur Verfügung stellt, verdeutlicht er, wie unsinnig die Jagd nach dem Original angesichts eines Mediums ist, in dem die Reproduktion das Original darstellt. Eine wichtige Anmerkung.

Konrad Eyferth: „Comic-Interviews“, Zwerchfell-Verlag, Hamburg 1998, 56 Seiten, 19.80 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen