■ Kosovo: Milošević bietet Albanern vage einen Autonomiestatus an: Altes neu verpackt
Slobodan Milošević hat erneut einen diplomatischen Erfolg gelandet. Mit seinem Vorschlag, dem Kosovo einen „angemessenen Grad an Selbstverwaltung“ zu gewähren, erneuerte der jugoslawische Präsident nur seine früheren Angebote, die noch nicht einmal eine Änderung der serbischen Verfassung von 1990 in Aussicht stellten. In dieser Verfassung wird der Kosovo (ebenso wie die Vojvodina) zwar als autonome Provinz bezeichnet, die rechtliche Stellung der autonomen Provinz ist jedoch schwächer als die einer kommunalen Selbstverwaltung innerhalb Serbiens: Das Autonomiestatut und sämtliche Rechtsakte dieser Provinz bedürfen der Zustimmung des serbischen Parlaments. Von daher kann die serbische Regierung bereits gegenwärtig behaupten, daß der Kosovo bereits einen Autonomiestatus hat, dem sich die Führung der Kosovo-Albaner nur verweigert.
Wenn Milošević nun wieder einen Autonomievorschlag lanciert, kann er sich der internationalen Öffentlichkeit als verhandlungsbereiter, konstruktiver Partner präsentieren – während die kosovo-albanische Elite ein Bild der Zerstrittenheit und politischen Unreife abgibt. In der Substanz bleibt sein Vorschlag jedoch völlig vage, auch wenn möglicherweise in dem ergänzenden Verfahrensvorschlag, ein Autonomieabkommen nur für eine Interimsphase von drei bis fünf Jahren zu schließen, ein neues Element stecken könnte. Eine zeitlich begrenzte Regelung des Autonomiestatus hätte den Vorteil, daß die verhandlungswilligen kosovo-albanischen Politiker mit dem Abschluß eines solchen Vertrages ihr Unabhängigkeitsziel nicht „verraten“, sondern nur aufschieben müßten. Ob Ibrahim Rugova, Adem Demaci, Fehmi Agani in Priština diesen Schritt nach den Kriegshandlungen der letzten Monate tun werden beziehungsweise können, erscheint höchst fraglich.
Derzeit kommt es daher besonders darauf an, daß die Kontaktgruppe, die Nato und ihre Diplomaten beiden Konfliktparteien mit ihrer früheren Ankündigung, den Autonomiestatus des Kosovo zu garantieren und gegebenenfalls zu schützen, ernst machen. Die Staatengemeinschaft sollte deutlich zeigen, daß sie sich an den Institutionen und Mechanismen eines etwaigen Abkommens beteiligen wird. Falls sie dies unterläßt, eröffnet sie der serbischen Seite die Möglichkeit, eine Übereinkunft als Wiederherstellung der serbischen Verfassungsmäßigkeit zu feiern. Dies würde Miloševićs diplomatischer Erfolgsbilanz die Krone aufsetzen. Martin Bruisis
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