Russische Reformen

■ Krisenstab will staatliche Wirtschafts- kontrollen, Ministerpräsident für Steuerreform

Moskau (rtr/AFP) – Zur Bewältigung der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in Rußland hat ein Krisenstab der Regierung eine Mischung marktorientierter Maßnahmen und staatlicher Kontrollinstrumente vorgeschlagen. Zum einen solle gesichert sein, daß der Rubel in Rußland frei in andere Währungen umgetauscht werden kann, heißt es in einem Entwurf der Kommission, der der Nachrichtenagentur Reuters aus Kreisen des Krisenstabes zugeleitet wurde. Zum anderen sind Schutzzölle für Einfuhren auf alle Güter außer Lebensmittel vorgesehen.

Unternehmen könnten dazu verpflichtet werden, alle Hartwährungseinnahmen an die Zentralbank zu verkaufen, um so deren Devisenreserven aufzustocken. Die Ausfuhr von Hartwährungen, vor allem Dollar und Mark, könnte eingeschränkt werden. Der Wechselkurs der russischen Währung sollte allerdings offiziell freigegeben werden. Die kurzfristigen Staatsschulden sollten, wie es die Regierung bereits angekündigt hat, umstrukturiert werden, so daß die Rückzahlungsfristen zeitlich gestreckt werden. Ein Zahlungsverzug oder -ausfall müsse unbedingt vermieden werden. Auch die Ersparnisse der privaten Anleger sollten geschützt bleiben.

Der geschäftsführende Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin hatte vergangene Woche einen Krisenstab unter dem Vorsitz von Vizeministerpräsident Boris Fjodorow einberufen, um Sofortmaßnahmen gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise auszuarbeiten. Nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen forderte Tschernomyrdin die Kommission am Dienstag auf, bis morgen konkrete Vorschläge vorzulegen. Wie viele der nun vorgeschlagenen Schritte angenommen werden, war zunächst unklar.

Ministerpräsident Tschernomyrdin hat unterdessen eine radikale Reform des russischen Steuersystems in Aussicht gestellt – was einer alten Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) entspricht. Gegenüber einer Abordnung von US-Präsident Bill Clinton kündigte er eine Reduzierung der Belastung für Bürger und Unternehmen an, um die Produktion anzukurbeln. Die Einkommensteuer soll demnach um 20 Prozent gesenkt werden.

Tschernomyrdins Vorgänger, Sergej Kirijenko, hatte bereits vergeblich versucht, das verworrene russische Steuersystem zu reformieren. Es ist von extrem hohen Abgabesätzen gekennzeichnet, die allerdings kaum jemand bezahlt. Die niedrigen Steuereinnahmen des Staates sind einer der Hauptgründe für die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise. Kirijenko war damit am Widerstand des Parlaments gescheitert.