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Ian Paisley mag Bill Clinton nicht

Der US-Präsident fordert in Nordirland Frieden und erntet Protest von radikalen Protestanten. Sinn Féin benennt McGuinness für die Entwaffnungskommission  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Er sei nach Nordirland gekommen, um die „Magie des sich entwickelnden Friedens“ zu erleben, sagte US-Präsident Bill Clinton gestern in Belfast. Er sprach vor zweitausend geladenen Gästen im Waterfront-Konferenzzentrum der nordirischen Hauptstadt. Den Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams forderte er auf, seine Partei müsse „die Brücke vom Terrorismus zur Demokratie“ nun endgültig überqueren, und dazu gehöre die Ausmusterung der IRA- Waffen. Dem scheint Sinn Féin einen Schritt näher gekommen zu sein: Gestern wurde Sinn-Féin- Vize Martin McGuinness offiziell als Vorsitzender der Entwaffnungskommission benannt – ein Zeichen, daß man es ernst meint.

Clinton hatte zunächst im Schloß Stormont eine gute Stunde mit den 108 Abgeordneten des nordirischen Regionalparlaments gesprochen, das im Februar seine Arbeit aufnehmen wird. Die Democratic Unionist Party (DUP) des Pfarrers Ian Paisley kritisierte den Präsidenten danach. Er bombardiere Terroristen in Afghanistan und im Sudan, sagte DUP- Sprecher Nigel Dodds, doch in Nordirland behandle er die IRA- Terroristen wie Staatsmänner.

Der britische Premier Tony Blair, der Clinton in Nordirland begleitete, sagte dagegen im Waterfront-Zentrum, jede politische Partei mit Verbindung zu paramilitärischen Organisationen befürworte inzwischen friedliche und demokratische Methoden: „Die das nicht tun, haben keine politische Basis, keine Stimme und nicht einen Hauch von Unterstützung.“

Die Parlamente in London und Dublin hatten kurz vor Clintons Ankunft drastische Anti-Terrorismus-Gesetze verabschiedet. Unter anderem wurde das Recht auf Aussageverweigerung abgeschafft, Verdächtige können aufgrund der Aussage eines höheren Polizeibeamten wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation verurteilt werden, und der „Besitz von Dingen zur Verwendung in Verbindung mit bestimmten Vergehen“, so die äußerst dehnbare Formulierung, ist künftig strafbar. Verschiedene britische Abgeordnete beklagten die ungewöhnliche Hast, die keinen Raum für eine Debatte lasse.

Der Altlinke Tony Benn verglich die Nachtsitzung mit dem „Obersten Sowjet, der vorgeladen wurde, um die Befehle des Zentralkomitees auszuführen“. Das Gesetz wurde gestern früh vom Unterhaus dennoch mit überwältigender Mehrheit angenommen, im Dubliner Parlament wurde gar nicht erst abgestimmt, weil nur fünf Abgeordnete dagegen gesprochen hatten. Die Gesetze müssen nun vom britischen Oberhaus und vom irischen Senat abgesegnet werden – eine Formsache.

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