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„Die Füße unter meinem Tisch“

■ Vier BundestagskandidatInnen stellen sich den Fragen von MigrantInnen

„Sie sitzen hier mit so einer herablassenden Miene, als wollten Sie sagen: ,Solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst ...“ Der Zwischenrufer bringt es auf den Punkt. Die Miene, die zu Klaus Francke, dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Direktkandidaten in Wandsbek gehört, verzieht sich zu einem mitleidigen Lächeln. Er verschränkt die Arme vor der Brust und flüstert mit seinem Nachbarn, dem FDP-Spitzen- und Direktkandidaten für Eimsbüttel, Rainer Funke.

CDU-Mann Francke hatte mit Abstand die meisten erbosten Fragen zu beantworten bei der Podiumsdiskussion, zu dem das Bündnis Türkischer Einwanderer (TGB) am Sonnabend VertreterInnen aller im Bundestag vertretenen Parteien außer der PDS eingeladen hatte. Rund 40 ausländische ZuhörerInnen kamen ins Haus 7 in Altona, um sich zu informieren, wie die Parteien Aufgaben wie die Gleichstellung Nichtdeutscher oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze bewältigen wollen. Die Diskussion konzentrierte sich rasch auf die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft.

Die ist mit der CDU nicht zu haben, bestätigte Francke, und zwar wegen drohender Probleme mit der „doppelten Loyalität“ gegenüber zwei verschiedenen Staaten. Ob denn Deutschland und die Türkei kurz vor einem Krieg stünden, wollte ein Zuhörer daraufhin wissen. Auch Olaf Scholz, SPD-Direktkandidat in Altona, und Antje Radcke, Kandidatin der Bündnisgrünen in Wandsbek, zeigten sich erheitert.

Scholz mußte sich allerdings vom Vorsitzenden der TGB, Hakki Keskin, vorhalten lassen, daß Kanzlerkandidat Gerhard Schröder eine verbindliche Aussage zum Thema bisher schuldig geblieben sei. „Ich werde ihm die Stimmung hier weitergeben“, versicherte Scholz mit ernster Miene. Selbstverständlich plane die SPD, die Einbürgerungsmöglichkeiten zu verbessern und die Rechte von MigrantInnen mit einem „Gleichstellungsgesetz“ zu stärken.

Die Repräsentantin der Grünen genoß sichtlich den größten Heimvorteil. Immerhin, so lobte Keskin, enthielte das Programm ihrer Partei „mit Abstand“ die besten Aussagen. Doch ob sie diese bei Koalitionsverhandlungen auch umsetzen könnte? Schon die FDP habe die MigrantInnen da „sehr enttäuscht“. GAlierin Radcke beteuerte prompt: „Für uns ist die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft ganz, ganz zentral.“ Sie sehe „gute Chancen für eine Durchsetzung.“

Auf überraschende oder gar neue Aussagen wartete das – im übrigen gut informierte – Publikum drei Stunden lang vergebens. Nur wer sich ein persönliches Bild von vier BundestagskandidatInnen machen wollte, kam auf seine Kosten. hedi

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