„Die ganze Schule zittert mit“

18jähriger Bosnierin droht die Abschiebung zwanzig Monate vor ihrem Abitur. MitschülerInnen solidarisieren sich  ■ Von Heike Dierbach

Nele Brehm ist schockiert. „Dort gibt es überhaupt keine Menschlichkeit. Freundschaften, Gefühle von Menschen – das zählt alles nicht.“ Die 19jährige war am vorigen Freitag zum ersten Mal auf der Hamburger Ausländerbehörde. Zusammen mit 18 MitschülerInnen aus der 12. Klasse des Gymnasiums Bahrenfeld und einem Lehrer wollten sie ihre Freundin Enisa Mesa-novic unterstützen. Die 18jährige Bosnierin soll abgeschoben werden – oder „freiwillig ausreisen“.

Vor sechs Jahren floh Enisa mit ihren Eltern und ihrem Bruder aus der Stadt Modrica in Bosnien nach Deutschland. Enisa besuchte zunächst eine Ausländerklasse, dann das Gymnasium. Jetzt fehlen der jungen Frau, die gerne Deutsch studieren oder Polizistin werden möchte, noch 20 Monate bis zum Abitur.

Das aber wird sie, geht es nach dem Willen der Ausländerbehörde, nicht hier absolvieren können. Ihre Duldung endet am 11. September. Zunächst hatte die Behörde der Schülerin angeboten, daß sie bleiben könne, wenn jemand Unterkunft und Unterhalt gewährleistet. Eine Bekannte der Familie erklärte sich dazu bereit. Doch vorige Woche hieß es plötzlich, aufgrund einer neuen Weisung gelte diese Ausnahme nur noch für Ausbildungsverhältnisse.

Bis Freitag soll sich Enisa nun entscheiden, ob sie in zwei Monaten „freiwillig ausreist“. Sonst droht ihr die Abschiebung – unter Umständen noch vor ihren Eltern, die eine Duldung bis zum 20. Oktober haben. „Die können dann ja schon mitfahren“, empfahl die Behörde Enisa. Aber wohin? In ihre Heimatstadt Modrica kann die Familie nicht zurück, erzählt Enisa mit fester Stimme, „die ist von den Serben besetzt“. Das Abitur könne sie ohnehin nur in Sarajevo machen – wo sie aber keinen kennt.

Erst auf Nachfrage erzählt die 18jährige von ihrer Angst, allein in ein zerstörtes Land zurückzukehren. Von dem Schmerz, die FreundInnen zurücklassen zu müssen, nicht weiterlernen zu dürfen. „Warum das alles? Sie kostet den Staat doch nicht einmal etwas!“ Für Enisas Klassenkamerad Bülent Polat ist klar, daß die FreundInnen alles versuchen werden, damit sie bleiben kann: „Die ganze Schule zittert mit.“ Unterschriften wollen sie sammeln und ans Rathaus übergeben. Und wirkungsvoller als in jedem Politik-Unterricht werden die SchülerInnen wohl auch lernen, was ein Petitionsausschuß ist.

Für Antje Möller, die die GAL dort vertritt, ist das Verhalten der Behörde „nicht in Ordnung“. Selbstverständlich werde sich der Ausschuß für Enisa einsetzen. „Die Schulausbildung wird eigentlich gewährleistet“, so Möller, „aber in der letzten Zeit wird der Druck auf die Flüchtlinge offensichtlich immer stärker.“