: PDS: Vorwärts in die alte Republik!
Partei beschließt 15 Sofortinitiativen für einen Politikwechsel. Ihr Kern besteht darin, daß das zurückgenommen, beseitigt oder geändert werden soll, was die Kohl-Regierung in den letzten Jahren beschlossen hat ■ Aus Berlin Jens König
Jede gute Partei legt sich heutzutage ein 100-Tage-Programm zu. Anders ist die Ernsthaftigkeit ihres Machtanspruchs offensichtlich nicht mehr unter Beweis zu stellen. Die PDS will zwar wieder in den Bundestag, aber wenn die Großen, die Etablierten, am Wahlabend die Koalitionen durchspielen, dann wird die Ostpartei höchstens am Rande eine Rolle spielen, wenn überhaupt. Also brauchen wir auch kein 100-Tage-Programm, haben sich die PDS-Strategen gedacht, aber drei Wochen vor der Bundestagswahl die Aufmerksamkeit der Medien zu gewinnen, das wäre nicht verkehrt. Also hat der Vorstand alle Forderungen und Programme der letzten Monate zusammengefegt, geklammert, verabschiedet – und schon waren „15 Sofortinitiativen der PDS für einen Politikwechsel“ fertig.
Das Papier ist offiziell ein Beschluß des Parteivorstands, der der künftigen Fraktion im Bundestag (Achtung, versteckte Anspielung: Wir schaffen den Sprung über die Fünfprozenthürde!) empfiehlt, die 15 Initiativen als erste unmittelbar nach der Wahlen zu ergreifen. „Natürlich wissen wir“, beschrieb der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky bei der gestrigen Vorstellung die Bedeutung des Papiers, „daß Schröder uns nicht fragen wird, ob wir unsere Vorschläge mit ihm zusammen umsetzen wollen“.
In manchen Punkten könnte die SPD das jedoch unbedenklich tun. Die Wiedereinführung der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Abschaffung der 620/520-Mark-Jobs oder die Rücknahme der Rentenkürzung sind Forderungen, die sich auch im 100-Tage-Programm der Sozialdemokraten finden. „In der Rentenfrage hat Schröder doch nur noch eine einzige Partei, die das gleiche will wie die SPD“, bemerkte Gregor Gysi, Chef der PDS-Bundestagsgruppe, gestern denn auch süffisant, „nämlich uns!“ Die anderen Sofortinitiativen der Partei werden den SPD-Kanzlerkandidaten jedoch ohne Mühe davon abhalten, sich das Papier der PDS überhaupt zu Gemüte zu führen.
Rücknahme, Beendigung, Wiedereinführung, Umwandlung – das sind die Stichworte, die deutlich machen, was die PDS mit ihren Forderungen erreichen will: Das, was die Kohl-Regierung als sogenannte Reformen beschlossen hat, zu korrigieren. Um es mit den Worten von Parteichef Bisky zu sagen: „Wir wollen den Kapitalismus bändigen, so wie dies auch früher in der Bundesrepublik einmal ein Ziel war.“ Auf dem Weg dorthin verlangt die PDS die Einführung von Steuern auf Spekulationsgewinne, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Rücknahme der Zuzahlungen im Gesundheitswesen sowie die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes im Baugewerbe. Außerdem fordern die Sozialisten die Reform des Staatsbürgerrechts, eine Ausbildungsgarantie für alle Schulabgänger sowie mehr Volksentscheide.
„Der Regierungswechsel wird an uns nicht scheitern“, betonte Gysi gestern zum wiederholten Male. Das mag sein. Aber beschleunigt wird der Wechsel durch das 15-Punkte-Programm der PDS auch nicht gerade.
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