piwik no script img

Schall gegen Dope

Beethoven wirkt entspannend auf Kühe im Stall. Und wie reagieren Menschen im Bahnhof?  ■ Von Eva Wolfangel

„Ihr Clean-Spatz hält den Bahnhof sauber“, verspricht ein Mülleimer-Aufkleber im Hamburger Hauptbahnhof. Der darunter abgebildete bunte Vogel scheint aber eher ein fauler Hund zu sein: Bierdosen, Pappteller, Zigarettenkippen und Urinlachen säumen den Weg von der Kirchenallee zur U-Bahn. Das wenig reinliche Ambiente wird neuerdings immerhin akustisch aufgewertet: „Für die Unterhaltung der Fahrgäste“, so Joachim Häger, Sprecher der Hamburger Hochbahn AG, wird der Tunnel seit Anfang August mit klassischer Musik beschallt. Und die Idee, in einigen Gängen durch den Hauptbahnhof über hundert CDs mit Stücken von Beethoven bis Vivaldi abzuspielen, finde, sagt Häger, „nur Zustimmung“.

„Nur nervig“, findet sie allerdings eine junge Frau, die täglich als Reinigungskraft im Bahnhof unterwegs ist. Und auch ein türkischer Kioskverkäufer meldet Kritik an. „Jeden Tag das gleiche Programm“, klagt er über die unfreiwillige Bereicherung seines musikalischen Repertoires. „Wunderschön“, lobt hingegen ein älteres Ehepaar die Hochbahn-Idee. Es sollte an allen Stationen Musik geben, findet die grauhaarige Frau mit den freundlichen Lachfältchen und macht auch gleich ergänzende Vorschläge: „Am Berliner Tor“ – da seien die Leute noch so müde – „müßte was Flotteres gespielt werden“, an den Landungsbrücken böten sich Seemannschöre an.

Ob letztere allerdings den von Joachim Häger hervorgehobenen „praktischen Nebeneffekt“ einer Vivaldi-Sonate hätten, ist noch unerforscht. Denn klassische Musik, so der Hamburger Psychologe Michael Thiel, wirke nicht nur entspannend – Ähnliches hätten schon Versuche in Kuhställen ergeben. Entsprechende Beschallungen in Dänemark und Frankreich hätten außerdem gezeigt, daß die Kriminalität an den jeweiligen Orten zurückgegangen sei. Also, vermutet Thiel, werde sich auch die Drogenszene aus den Gängen am Hauptbahnhof zurückziehen: „Klassische Musik paßt bei denen nicht in die Gruppe, die fühlen sich dann nicht wohl; dazu paßt eher härtere Musik wie Punk.“

„Unwohl“, mag einer der Hauptbahnhof-Junkies die Thielsche These nicht bestätigen, fühle er sich nicht direkt, eher gelangweilt. „Das hier ist doch Musik für meine Oma!“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen