Der Mann des Feuers kitzelt und motiviert

■ Bei Stuttgarts 4:0 über Kaiserslautern deutet sich die Arbeitsweise von Neu-Trainer Schäfer an

Stuttgart (taz) – Nur keine Bange: Kleider machen nicht unbedingt Leute. Zumindest gilt dies für Winfried Schäfer. Seit seiner Unterschrift als Trainer beim VfB Stuttgart trägt er feinen Anzug, das Vereinswappen feinsäuberlich ans Revers gestickt. Er hat seinem Vorgesetzten Gerhard Mayer- Vorfelder versprochen, die Lederjacke im Kleiderschrank zu lassen.

Doch beim 4:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern wirkte Schäfer während der 90 Minuten im offiziellen VfB-Zweireiher seltsam eingezwängt: Das lag nicht an einer Fehlleistung des Vereinsschneiders, sondern vielmehr am immensen Aktionsradius des Trainers.

Will man den famosen Auftritt des VfB Stuttgart vom Dienstag erklären, kommt man nicht umhin festzustellen: Auf dem Platz ist seit Schäfers Mission gleichbedeutend mit neben dem Platz. Der Trainer läßt keine Distanz zwischen Trainerbank und Spielgeschehen, er glaubt felsenfest an seine Wirkungskraft. Wenn Schäfer vom „Feuer“ spricht, das die Seinigen entfachen müssen, dann markiert diese Brachialrhetorik genau den Unterschied zu Vorgänger Joachim Löw: Schäfer nimmt man diese Verbalinjurien à la „Die hau'n wir weg“ sofort ab.

Für Schäfer ist Fußball eben vor allem eine Herzensangelegenheit und zunächst keine Sache des Kopfes. Das wird in den Formeln deutlich, die Schäfer bereithält, um die klare Stuttgarter Angelegenheit durch Tore von Sreto Ristic (2), Bobic und Balakow zu erklären. Der Stuttgarter Vorarbeiter hantiert nicht mit postmodernem Trainerdeutsch wie „ballorientierte Gegnerdeckung“ (dereinst Berti Vogts) oder „Dominanz ausüben“ (Analytiker Günter Netzer).

„Die Mannschaft ist bis an ihre Grenzen gegangen“, so was sagt Winfried Schäfer. Oder: „Die Jungs haben unheimlich aggressiv gearbeitet.“ Die Message ist eindeutig: Fußball wird zunächst gekämpft und gerackert, erst dann vielleicht auch gespielt. Schäfer ist sicherlich nicht der große Innovator oder der kühle Analytiker: Das Spielsystem hat er glatt beibehalten, die Hierarchie um die Achse Wohlfahrt-Verlaat-Balakow-Bobic gleich mit. Die Positionen werden zumeist starr gehalten, keiner rückt von seiner Aufgabe ab. Nur keine Experimente: Das Offensivspiel ist recht konservativ fast ausschließlich auf Balakow zugeschnitten. Das funktioniert, wenn – wie gegen den Meister – Balakows Spiellaune funktioniert. Am Gegenüber Ciriaco Sforza ließ sich die Krux eines solchen Zuschnitts ablesen: Mit dem Spielmacher lahmte die Offensivabteilung.

Das Problem ist beim VfB nicht unbekannt: Sollte Balakow als Spielgestalter, etwa wegen gegnerischer Manndeckung, ausfallen, stellt sich automatisch die Frage nach den Lückenfüllern. Eine mögliche Antwort hat Kristijan Djordjevic (22) gegen die Lauterer gegeben, der alle vier Stuttgarter Treffer maßgeblich zu verantworten hatte. Und wer hat die glanzvolle Vorstellung Djordjevics zu verantworten? Klar: Schäfer.

„Der Trainer hat mich gekitzelt“, sagt Djordjevic geheimnisvoll. Wie das? „Wenn er im Training nach einem Fehler fragt, warum ich denn überhaupt jugoslawischer Nationalspieler bin“, erläutert er die Schäfersche Handschrift, „dann sind das die kleinen Dinge, die einen reizen und motivieren.“ Bleibt doch alles beim alten: Schäfer als Motivator – neue Kleider hin oder her. Thilo Knott

Zuschauer: 50.000

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Thiam, Verlaat, Berthold – Djordjevic, Soldo (46. Stojkovski), Poschner (54. Zeyer), Keller – Balakow – Ristic (82. Blessin), Bobic

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Ramzy (78. Rische) – Samir (64. Ballack), Schjönberg – Buck (46. Reich), Ratinho, Sforza, Roos, Wagner – Marschall, Hristow

Tore: 1:0 Ristic (32.), 2:0 Bobic (71.), 3:0 Ristic (79.), 4:0 Balakow (85.)