: Heimlicher Atomtransport
■ Spanien schickt Strahlenmüll in die USA. Offiziell besitzt es aber gar kein Atommaterial
Madrid (taz) – Greenpeace hat der spanischen Regierung einen Strich durch die Rechnung gemacht: Spaniens Nuklearer Sicherheitsrat (CNS) plante, in den nächsten Monaten 130 Gramm angereichertes Uran in die USA zu versenden, ohne darüber die Öffentlichkeit zu informieren. Das Versteckspiel hat seinen Grund. „Keiner kann erklären, woher das Material kommt“, sagt der Atomspezialist der Umweltschützer in Madrid, Carlos Bravo. Seit 1992 besitzt Spanien nach offiziellen Angaben kein hochangereichertes Material mehr. Damals wurden 40 Elemente aus den USA in ihr Herkunftsland zurückgeschickt. Die sozialistische Regierung unter Felipe González setzte damit endgültig einen Schlußstrich unter das Atomprogramm des Diktators Franco, das nicht nur dem Energiesektor, sondern auch dem Bau der Bombe dienen sollte.
„Jetzt hat sich herausgestellt, daß die Behörden uns die ganze Zeit belogen haben“, beschwert sich Greenpeace-Sprecher Bravo. Nachdem Greenpeace die Sendung entdeckt hatte, gestand das Madrider Industrieministerium den bevorstehenden Transport ein. Das 70 Zentimeter lange und fünf Zentimeter dicke Element sei nicht von den USA bezogen worden, sondern stamme aus der Eigenproduktion des spanischen Atomforschungslabors, sei mit Neutronen beschossen worden und daher mit Plutonium verunreinigt, hieß es.
Auf die naheliegenden Fragen von Greenpeace schweigt sich das Ministerium allerdings aus: „Warum wurde das Material nach 1992 aufbewahrt, und was wurde mit ihm die ganze Zeit über gemacht?“ Heimliche Militärforschung vermutet Greenpeace nicht, aber „die Atombehörde könnte mit dem Uran Versuche unternommen haben, um Erkenntnisse für den bisher am Widerstand der Bevölkerung gescheiterten Bau einer Endlagerstätte zu gewinnen“. Der Vorfall bringt den CNS wieder in die Schlagzeilen. Erst im Juni hatte die Behörde versucht, das versehentliche Einschmelzen von radioaktivem Schrott in einem südspanischen Stahlwerk zu vertuschen. Erst als die Cäsium-137-Werte selbst in den Alpen bis auf das 1.000fache anstiegen, gestand der CNS den Unfall ein. Reiner Wandler
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