: „Natürlich eine Gratwanderung“
■ Ein Gespräch mit Alfred Hürmer, dem Geschäftsführer der neuen FilmFörderungs-GmbH
Lange hat es gedauert, jetzt ist sie unter Dach und Fach, Hamburgs neue Filmförderungs-GmbH. Am Montag beschloß der Aufsichtsrat die neuen Richtlinien für die aus dem Zusammenschluß von Filmbüro und Filmhaus hervorgegangene Gesellschaft. Außerdem wurde auf der Sitzung der Vertrag, der Alfred Hürmer zum ersten Geschäftsführer bestimmte, bestätigt.
taz: Man darf gratulieren. Sie haben sich durchgesetzt.
Alfred Hürmer: Bei den neuen Richtlinien meinen Sie?
Da und auch allgemein.
Daß ich mich durchgesetzt habe, glaube ich auch schon, ja.
Man gewinnt den Eindruck, daß die von Ihnen initiierten Veränderungen in der Hamburger Filmförderung in eine klare Richtung zielt, und zwar weg von einer Selbstverwaltung der Förderung durch die Filmemacher, was die Idee des Hamburger Filmbüros war, und hin zu einer Stärkung der Produzentenseite.
Das ist richtig gesehen. Aber mit einer Anmerkung, die ich sehr wichtig finde. Ich habe ja auch selber immer als Produzent viel Dokumentarfilm realisiert, kleinere Projekte, Erstlingsfilme, und ich bin jemand, der der Meinung ist, daß man das auch tun muß. Und was den Begriff des Produzenten betrifft, ist es heute so, daß auch bei kleineren Projekten mit relativ hohen Summen umgegangen wird. Insofern ist für mich auch ein Macher eines kleineren Films ein Produzent. Ich meine, daß Leute, die einen Antrag von 200.000 Mark und mehr stellen – bei den Millionenprojekten ist es selbstverständlich –, dies als einen wirtschaftlichen Vorgang begreifen müssen. Man muß von diesen Leuten erwarten – und dabei wollen wir ja auch gerne helfen –, daß sie verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen. Deshalb möchte ich, daß die Produzenten gestärkt werden, aber das richtet sich gar nicht gegen die kleineren Filme.
Was heißt verantwortlich mit Geld umgehen? Im schlimmsten Fall könnte es doch bedeuten, sich an den Geschmack des Publikums anzubiedern, um das Geld wieder reinzukriegen.
Na klar. Aber darum geht es nicht. Wenn Sie es noch einmal von der anderen Seite sehen: Für viele Produzenten in der ganzen Bundesrepublik gibt es das Problem, daß sie zuwenig Geld haben, um mit genügend Zeit ihre Projekte zu entwickeln. Wir wollen schon hier einsteigen und die Antragsteller in die Lage versetzen, die Filmprojekte besser vorzubereiten – und das ist jetzt eine inhaltliche wie auch eine wirtschaftliche Frage. Wenn die Förderung schon hier ansetzt, kann sie vielleicht eine Klammer zwischen der künstlerischen und der kaufmännisichen Seite bieten.
Man hört aber eher von Fällen, daß Drehbücher fertig vorliegen und der Filmemacher dann zwei Jahre lang warten muß, bis er das Geld in der Fördergremien zusammengesammelt hat.
Ja. Früher war es so, da wurde man zweimal in Hamburg abgelehnt, dann ging man also zum Filmbüro nach Nordrhein-Westfalen oder zur Berliner Förderung, aber es blieb immer dasselbe Drehbuch. Nie wurde darüber gesprochen, ob man denn nicht vielleicht das Drehbuch verbessern kann oder ob man die Projektentwicklung nicht überhaupt genauer begleitet. Wir sagen jetzt zum Beispiel, daß man eine Vorstellung davon haben muß, für wen man den Film macht. Das kann für ein Nischenpublikum sein, das kann für die Festivalszene sein oder auch für das große Publikum. Ich finde es berechtigt, daß man diese Frage stellt. Denn sonst landet beispielsweise ein Film fürs kleine Publikum im großen Budget, und das gibt ein Desaster.
Was soll jetzt konkret besser werden?
Wir werden uns bei der Projektentwicklung stark engagieren. Das heißt auch, daß wir im engen Dialog mit den Antragstellern bleiben.
Die Antragsteller bekommen also nicht einfach nur Geld, sondern sie werden auch betreut?
Ja, wir wollen auch die Projektfortschritte sehen. Es wird ja auch Ratenzahlungen geben, und diese werden von dem Projektfortschritt abhängen. Das heißt also, daß man uns stets berichten muß, wie es weitergegangen ist. Das ist nun nichts Originäres aus Hamburg, das machen die anderen Filmförderinstitutionen mittlerweile auch. Es hat sich in den vergangenen zwei Jahren so durchgesetzt.
Nun ist Hamburg ja nicht eben die reichste deutsche Filmförderung, 16 Millionen Mark stehen Ihnen an Fördermitteln zur Verfügung. Bei den verabschiedeten Richtlinien aber kann es einem so vorkommen, als ob Sie alles wollen. Sie wollen kleine Filme, aber auch Großproduktionen und auch Fernsehproduktionen. Verzetteln Sie sich nicht?
Natürlich ist das eine Gratwanderung. Sicher gibt es dabei die Gefahr des Verzettelns. Aber gerade auch durch unser Engagement bei der Projektentwicklung verhindern wie ja möglicherweise, daß wir Geld in Projekte geben, die sich nachträglich als Ausfall erweisen. Wenn man also mit unseren wenigen Mitteln gut haushaltet, kann man vielleicht ja mehr für die Filmprojekte erzielen, als wenn man sofort von der ersten Drehbuchfassung an sagt: Gut, da geben wir 300.000 Mark dazu.
Die am Montag beschlossenen Richtlinien besagen unter anderem, daß „wirtschaftlich erfolgversprechende Filmproduktionen“ gefördert werden sollen und „Filme, die einen Beitrag zur Filmkultur leisten“. Dabei fällt bei dem Fax der Senats-Pressestelle dann doch auf, daß die „wirtschaftlich erfolgversprechenden Produktionen“ an erster Stelle stehen.
Darin dürfen Sie auf gar keinen Fall eine Hierarchie sehen. Überhaupt muß man ja auch bedenken, was „wirtschaftlich erfolgreich“ bedeutet. Am erfolgreichsten sind ganz bestimmt nicht die Großproduktionen, sondern die kleinen und mittleren Filme. In Deutschland etwa ist eben nicht Bernd Eichinger der wirtschaftlich erfolgreichste Produzent, sondern Rudolf Thome. Er macht seit 25 Jahren Filme, die nie teurer waren als 700.000 Mark. Und wenn jemand bei diesem Budget dann vielleicht 1,2 Millionen Mark Erlöse hat, dann ist das ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen.
Eine letzte Frage: Kann sich ein Hamburger Experimentalfilmer, also jemand, der auf gar keinen Fall Kassenschlager bringt, sich bei Ihnen aufgehoben fühlen?
Aber natürlich. Es gibt hier in der Stadt eine Reihe von, sagen wir: radikalen Filmemachern, die ich sehr spannend finde und die hier auch ihr Filme machen können müssen.
An wen denken Sie?
Jetzt vergesse ich bestimmt einige: Aber Filmemacher wie Monika Treut, Vlado Kristl oder Klaus Wyborni sind für mich ganz wichtig, schon von meinem Selbstverständnis her, was Filmkultur betrifft. Da braucht, glaube ich, niemand Angst zu haben.
Fragen: Dirk Knipphals
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