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Das kann ich, das will ich, das bringt Geld

Existenzgründung ist das Thema zur Zeit – nicht nur bei Frauen. Zum dritten Mal findet an diesem Wochenende in Hannover die F.A.M.E. statt. Eine Messe, die Frauen Austausch und Erfolg bringen soll. Sehr erfolgreich ist zum Beispiel die Engländerin Anita Roddick. Sie ist Gründerin und Hauptanteilseignerin der weltweit agierenden The Body Shop AG. Bereits 1986 wurde sie zur Unternehmerin des Jahres gekürt. Und ihre Marketingstrategie des „care capitalism“ – tue Gutes und rede wie verrückt darüber – wurdepreisgekrönt. Mit Anita Roddick sprach  ■ Beate Wilms

taz: Sie sind Chefin eines Weltkonzerns, der in 47 Ländern agiert, Tausende Leute beschäftigt und vom Image lebt, soziale und ökologische Standards zu setzen. Sind Frauen die – moralisch – besseren UnternehmerInnen?

Anita Roddick: Ich glaube nicht, daß es Zufall ist, daß es mit The Body Shop so gut läuft. Frauen gehen tatsächlich anders an eine Existenzgründung heran. Sie wollen meist nicht einfach ein großartiges Geschäft machen. Trotzdem stecken sie oft in einem Zwiespalt. Ich mußte den Lebensunterhalt für mich und meine beide Kinder verdienen, während mein Mann Gordon sich einen Jugendtraum erfüllte und mit dem Pferd durch die USA ritt. Aber die richtige Reihenfolge ist zu sehen: Das kann ich wirklich gut, das interessiert mich, das bringt mir genug Geld.

Sie haben für die Vereinten Nationen und als Lehrerin gearbeitet und danach ein eigenes Restaurant geführt, das aber nicht gut gelaufen ist. Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit einem Kosmetikunternehmen selbständig zu machen?

Als ich noch bei den Vereinten Nationen war, war ich viel unterwegs, habe in Polynesien gelebt, mich für diese ganzen vorindustriellen Gesellschaften interessiert. Und ich fand es immer spannend, was für eine Rolle Frauen spielten, wie sie mit ihrem Körper umgingen, wie sie das, was es um sie herum gab, nutzten, um sich zu waschen und zu pflegen. Das hat mich sehr inspiriert. Ich habe selber diesen ganzheitlichen Ansatz. Ich wollte dieses Wissen in Produkte verwandeln, mit denen sich Gewinn erzielen läßt. Und dann habe ich in meiner Zeit als Restaurantchefin gemerkt, welche Möglichkeiten ein öffentlicher Ort bietet, wenn man Politik machen will. Ich war immer Aktivistin, eine grüne Anarchistin. Auch heute noch gehe ich an die Öffentlichkeit, wenn mir etwas nicht paßt. Und in einem Laden – oder heute in Tausenden von Läden –, an guten Standorten erreicht man sehr viel Öffentlichkeit.

The Body Shop hat sich sehr schnell sehr gut entwickelt. Hatten Sie einfach zur richtigen Zeit die richtige Idee?

Eigentlich ist das alles ungeplant passiert. Wir waren sehr naiv und wußten nicht, ob das überhaupt funktionieren konnte. Aber wir haben es einfach gemacht. Unser größtes Glück war, daß wir kein Geld hatten.

Das müssen Sie mir erklären.

Nur weil wir kein Geld hatten, hat sich alles so entwickelt, wie es heute ist. Ich habe mit einem Kredit von 12.000 Pfund angefangen und die erste Kosmetikserie bei mir zu Hause auf dem Herd entwickelt. Dann konnten wir uns keine teure Verpackung leisten und haben daher Gefäße gesucht, die wir nachfüllen konnten. Urinflaschen waren am billigsten. Aber manche Dinge sahen in den Gläsern ziemlich seltsam aus, und weil es zu teuer war, Etiketten mit Produktinformationen zu drucken, schrieben wir kleine Schildchen, die wir im Regal aufstellten. Schließlich war unser erster Laden nur ein paar Quadratmeter groß, und die Wände waren feucht und dunkelgrün, weil sie mit einem Schutzmittel gegen Schimmel gestrichen waren. Das brachte uns den Namen „die grüne Bewegung“ ein.

Die schnelle Ausbreitung des Body Shop in so vielen Ländern konnte nur mit dem Franchising-System funktionieren.

Wir waren am Anfang ganz überrascht, daß das Geschäft so gut lief. Und wir hätten am liebsten selber ganz viele Läden aufgemacht, um unsere Idee und die Produkte weiter zu verbreiten. Aber auch dazu fehlte es an Geld. Dann haben wir gesagt: Wer will, kann einen Laden aufmachen, aber nur auf eigene Rechnung. Es gab also gar keine Alternative zum Franchising. Aber es war schrecklich unprofessionell und unausgereift.

Aber auch ganz praktisch: Mit den ganzen kleinen Läden hatten Sie gleich einen sicheren Absatzmarkt für Ihre Produkte.

Franchising war eine interessante Möglichkeit zu expandieren, ohne große Hierarchien und Verwaltungsebenen aufbauen zu müssen. Die kleinen Einheiten können überall hin verpflanzt werden, sie machen es leichter, neue Märkte, die Kultur und die Dynamik zu verstehen. Trotzdem haben Leute, die etwas von Wirtschaft verstanden, immer wieder gesagt: Daraus kann nichts werden. Siebzehn Jahre lang machten wir überhaupt kein Marketing, wir wußten nicht einmal, was Marketing ist. Aber wir redeten immer viel über die Produkte und das Unternehmen, und genau damit kamen wir auch an, wir gewannen sogar einen Marketing-Preis – ganz ohne Werbeabteilung. Wir hatten nie einen Zehnjahresplan, wir hatten nie einen Fünfjahresplan, wir hatten nicht einmal einen Einjahresplan.

Sie betonen, daß das Unternehmen und seine Mitarbeiter eine große Familie sind. Und Sie haben zumindest in Deutschland keinen Betriebsrat. Für mich klingt das nach Patriarchat.

Wir hatten anfangs nicht einmal Jobbeschreibungen, zu viel passierte einfach aus der Begeisterung heraus dabeizusein. Jeder wußte, er war Teil eines sozialen Experiments. Und daß er angehört wurde, mitbestimmte. Wir hatten alle riesigen Spaß daran, in die genau entgegengesetzte Richtung zu rennen als all die anderen. Wir hatten eine gemeinsame Einstellung. Und wir haben uns selbst entwickelt. Weil wir in der ganzen Welt Läden hatten oder community trades, von denen wir dann Produkte bekamen oder Rohstoffe, lernten wir über Menschenrechte, über Arbeit und über humane Arbeitsbedingungen. Und vor allem in den ersten Jahren kannten wir natürlich jedermann, jedermanns Großmutter und jedermanns Hund.

Aber so gemütlich kann es nicht die ganzen 22 Jahre lang gewesen sein. Es gab auch Kampagnen, in denen Ihnen vorgeworfen wurde, mit Täuschungen zu werben. Sie haben wegen Verleumdung geklagt und gewonnen.

Das war für mich einer der Tiefpunkte, als ein früherer Mitarbeiter verbreitet hat, wir würden unsere Produkte entgegen unserem Selbstverständnis in Tierversuchen testen. Ein Journalist hat das aufgegriffen und sehr spezielle Zeugen aufgetrieben. Zum Glück haben mich Organisationen wie amnesty international, mit denen wir viel zusammenarbeiten, in Schutz genommen.

Gab es solche Tiefpunkte auch innerhalb des Unternehmens?

Es gab spannende Momente, als der Golfkrieg anfing und ich in der Zentrale Plakate gegen den Krieg aufhängte. Aber die Belegschaft war gespalten. Ein Teil sagte: Das geht doch den Body Shop nichts an, halt dich da raus. Da habe ich einen Tag lang die Läden geschlossen und ein elektronisches Meeting einberufen, bei dem Kriegsveteranen über ihre Erlebnisse sprachen. Und sie überzeugten die Leute. Aber wenn das nicht geklappt hätte, hätte ich auf den Tisch gehauen und gesagt: Ich bin hier die Chefin.

Um noch einmal auf die Frage der Mitbestimmung zurückzukommen: Wie steht es mit Ihren Beschäftigten?

Sie hatten ganz früh die Gelegenheit, Aktionäre zu werden, es gibt Betriebskindergärten, Erziehungsgeld, das in England sonst unüblich ist. Sie haben jeden Monat einen halben Tag zur Verfügung, an dem sie in einem unserer Projekte arbeiten können. Manche gehen auch zur Caritas und betreuen behinderte Kinder. Und wir zahlen überall den gleichen Lohn.

Als wir in der Gegend von Glasgow eine Seifenfabrik aufgemacht haben, hat man gesagt: Ihr seid ja bescheuert, die würden doch auch für weniger arbeiten. Inzwischen sind dort siebzig Leute beschäftigt, die vorher arbeitslos waren.

Betriebswirtschaftlich rechnet sich das nicht.

Wenn man rein betriebswirtschaftlich denkt, ist Gewinnmaximierung das oberste Ziel. Aber wir sagen: Um uns unsere Projekte leisten zu können, müssen wir Profit machen. Das tun wir. Aber wir geben zum Beispiel wenig für Marketing aus. Ein anderes Kosmetikunternehmen steckt zehn Millionen Pfund in die Werbung. Wir geben das meiste für Projekte aus.

Die Börse hat das anfangs auch sehr honoriert. Aber seit 1992 ist die Body- Shop-Aktie von 370 auf nun 137 Pence gefallen.

Der Börsengang war für mich ursprünglich eine Chance, das Unternehmen zu etablieren, ernstgenommen zu werden und dann auch gute Standorte für die Läden zu bekommen. Außerdem konnten wir unseren Mitarbeitern so einen Wert bieten, sie am Unternehmen beteiligen. Und wenn ich Bilanz ziehe, muß ich sagen, die Aktionäre erwarten, daß wir genau so sind, wie wir sind.

Das erklärt aber nicht den Wertverfall.

Die Finanzpresse erwartet neben dem Wachstum, das wir haben, eben auch Gewinne. Und sie legt dabei nur finanzielle Maßstäbe an. Es ist sehr einfach, ein Unternehmen zu beurteilen, wenn man nur in Gewinn und Verlust rechnet. Aber es ist sehr schwer, ein Unternehmen zu haben, das sich selbst zum Maßstab macht, das sich an seiner Fähigkeit, gesellschaftlich einzugreifen, mißt. Wir waren mit die ersten, die einen Umweltbericht vorgelegt haben, jetzt haben wir ein soziales Audit gemacht. Damit wird es vielleicht künftig einfacher.

Die letzte Hauptversammlung im Mai ist ziemlich turbulent und für manche überraschend verlaufen. Die „Berliner Morgenpost“ schrieb: „Aktionäre entmachten Anita Roddick“. Sie sind nicht mehr Geschäftsführende Direktorin. Was wird jetzt anders?

Zunächst einmal: Ich war nie wirklich Geschäftsführende Direktorin. Ich war immer die Gründerin, die kreative Kraft. Jetzt haben wir einen Managing Director. Und das war auch notwendig. Das Unternehmen ist so schnell gewachsen. Jetzt müssen wir uns auf die Konsolidierung konzentrieren, vielleicht einiges neu organisieren.

Wie soll das aussehen?

Wir müssen überlegen, ob wir die vertikale Integration aufgeben sollen, nicht mehr alles selber machen von der Fertigung bis zum Verkauf, sondern mehr auslagern. Dann müssen die Ideen schneller kommen. Vermutlich sind auch die Produktionszyklen zu langsam.

Und was machen Sie jetzt, nachdem Sie einen Teil der Verantwortung los sind?

Das, was ich bisher gemacht habe: Projekte und Produkte mitentwickeln, neue Inhaltsstoffe finden, mich um die community trades und Kampagnen kümmern. Für das Unternehmen werben.

Sie haben so viele verschiedene Projekte parallel laufen. Ihre Kampagne gegen das herrschende Schönheitsideal mit der Frontfigur Ruby zum Beispiel und die für die Freilassung der buddhistischen Nonne Ngawang Sangdrol, die im Gefängnis sitzt, weil sie für die Unabhängigkeit Tibets demonstriert hat.

Diese Dinge sind gar nicht so verschieden. Hier geht es doch immer um Menschenrechte. Es wäre natürlich einfacher, sich nur um Produkte zu kümmern. Und langweilig.

Was hat Ihnen in dieser ganzen Zeit am meisten Spaß gemacht?

Ich glaube, das Schönste war, daß nach einer Kampagne, die wir mit amnesty international gemacht haben, siebzehn politische Gefangene freigelassen wurden. Sehr gefreut habe ich mich auch, als das Tierversuchsgesetz in England verschärft wurde. Und: Ich gehe unheimlich gerne in den Body Shop und sehe mir die Produkte an.

Wunderbar war auch, als Tony Blair im letzten Jahr seinen Mitarbeitern Produkte aus dem Body Shop geschenkt hat, die er bezahlt hat.

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