Fritz und Helga waren doch da

■ A-Cappella-Quintett The Real Group überzeugte im Schlachthof

„Auf dieser CD“, vermerkt das Quintett The Real Group auf einer seiner jüngsten Veröffentlichungen, „sind keine Instrumente zu hören.“ Nun wird niemand ernstlich etwas anderes erwarten, der einen Tonträger der weltbekannten schwedischen A-Cappella-Band zu erwerben gedenkt. Sowas schreibt man aber trotzdem auf CDs, in der Hoffnung, daß der Fan im heimischen Wohnzimmer ständig erstaunt „Boah, unglaublich!“ ausruft, sobald aus den Boxen Bässe, Gitarren und Becken zu hören sind.

Der Real Group-Auftritt im fast ausverkauften Schlachthof bedurfte derartiger Vorbemerkungen nicht, da auf der Bühne der Kesselhalle ganz offensichtlich keine Instrumente zu sehen waren. Und dennoch flüsterte der eine oder die andere während des zweistündigen Konzerts mehr als einmal „Boah, unglaublich“. Etwa als die Sopranistin Margareta Jalkéus während des Evergreens „Little Darling“ in beeindruckender Weise zur Trompete mutierte. Oder als das gesamte Quintett – neben Jalkéus waren da noch Katarina Nordström (Alt), Anders Edenroth (Kontratenor), Peder Karlsson (Tenor) und Anders Jalkéus (Baß) – Neal Heftis „Flight of the Foobirds“ im Big-Band-Sound in die Mikrophone blies.

Doch glücklicherweise erging sich das Konzert nicht im permanenten Versuch, mit der Stimme Töne zu produzieren, die auf Dauer schlicht besser klingen, wenn sie der Arbeit eines „richtigen“ Instrumentalisten entspringen. Im Gegensatz zu den Möglichkeiten vieler A-Cappella-Ensembles erschöpfen sich die Fähigkeiten der 1984 in Stockholm gegründeten Gruppe auch nicht in der Instrumentenimitation. Weitaus mehr nämlich als diese Fähigkeit beeindruckte im Schlachthof die stimmliche Brillanz und Präzision, mit der sich The Real Group in den unterschiedlichsten musikalischen Stilen bewegte. Neben der für A-Cappella-Gruppen offenbar obligatorischen Hommage an die Beatles und diversen Seitenblicken auf Latinopop- und Jazzgefilde gab es auch erfreulich viele Eigenkompositionen, die zumeist aus Edenroths Feder stammten.

Und auch die Ausflüge in die heimische Folklore waren durchaus lehrreich. Denn wer sich unter schwedischen Volksliedern bis dato nur eine seltsame Mischung aus Elch- und Volvogeräuschen vorstellen konnte, der war spätestens nach „Kristallen den Fina“ eines Besseren belehrt und schnäutzte ob dieses wundervoll sentimentalen Stücks gerührt in den Pullover des Sitznachbarn.

Daß die fünf SchwedInnen zudem so freundlich waren, dem Publikum zwischen den Stücken Einblicke in Deutschlehrbücher für Schweden zu geben (Erster Satz aus „Die Treppe, Teil 1“: Es klingelt bei Neumanns, aber Fritz und Helga sind nicht da.), gereichte der Stimmung im Saal nicht gerade zum Nachteil. zott