: Die Restauration zeigt Potential
Das 2:0 der Münchner Bayern beim SC Freiburg kann nicht nur Bayern-Trainer Hitzfeld als Punktsieg konservativen Fußballdenkens über die Moderne verbuchen ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs
War das jetzt die Ankunft der Normalität? Und was macht sie dann aus? „Daß in Freiburg der Rasen genauso grün ist wie anderswo“, kann es ja nicht alleine sein. Auch wenn Torhüter Oliver Kahn nach dem 2:0-Sieg seiner Bayern berichtete, daß Trainer Ottmar Hitzfeld im Vorfeld versucht hatte, dem Team mit diesem Hinweis die Angst vor einer neuerlichen Abreibung zu nehmen.
Außerdem „hat der Trainer gesagt, daß Freiburg kein Angstgegner ist“. Das erzählte nicht Kahn, sondern Stefan Effenberg. Korrekterweise hätte Hitzfeld nach dem „kein“ ein „mehr“ einfügen müssen. Schließlich war der FC Bayern in der Vergangenheit ein ums andere Mal als haushoher Favorit gen Schwarzwald gereist, um in schöner Regelmäßigkeit mit deftigen Packungen die Heimreise anzutreten (von einem schmeichelhaften 0:0 im Freiburger Abstiegsjahr mal abgesehen).
Zu dem bemerkenswerten Dienstantritt von Hitzfeld bei Bayern München zählt jetzt also auch die Normalisierung im Verhältnis zum SC Freiburg. Im Dreisamstadion kam es diesmal so, wie es eigentlich schon immer hätte kommen müssen. Was auch bedeutete, daß Erich Ribbeck, der mit einem beachtlichen Pfeifkonzert in Empfang genommen worden war, um 17 Uhr 30 zufrieden vom Ort des Geschehens entschweben konnte.
Mit der Heimholung von Lothar Matthäus hatte der neue Teamchef der DFB-Auswahl schon am Donnerstag das Signal auf die Fortsetzung des Stillstands gesetzt, und Samstag auf dem Platz drohte sich das Spiel schnell zu einem klaren Punktsieg des restaurativen Fußballdenkens zu summieren. In der mit starrem Positionsspiel stark agierenden Mannschaft der Bayern gab Matthäus den Libero so klassisch wie überzeugend. Und Freiburg schaffte es – von der letzten Viertelstunde einmal abgesehen – nicht, den Gegner durch sein vielgerühmtes variables Laufspiel ernsthaft in Gefahr zu bringen.
Im Gegenteil. Als Libero Korell zu unbedacht gegen Babbel vorging, und Elber die präzise Hereingabe humorlos in die Maschen setzte (21.), hatte ein taktisch geschickter Schachzug von Ottmar Hitzfeld der Freiburger Spielfreude schon den Atem genommen. Immer wieder zog Mario Basler von der rechten Bahn früh nach innen, immer wieder stießen hinter ihm Strunz und Babbel in die Lücke auf der rechten Seite, und immer wieder geriet der SC von dort in Gefahr. Zumal das 0:2 durch einen Kopfball von Strunz nach Ecke Basler (35.) im Selbstbewußtsein der Sport-Club-Spieler deutliche Spuren hinterließ.
Er habe daraufhin, berichtete Trainer Finke später, sein Team in der Pause aufgemuntert, „mit vollem Tempo und mehr Mut zum Risiko“ an die schon aussichtslos scheinende Sache zu gehen. Der Erfolg blieb mäßig. Erst die Hereinnahme von Pavlin und Günes und eine radikale Umsortierung im Mittelfeld sorgte noch einmal für eine Viertelstunde Hoffnung.
Weniger, weil tatsächlich noch jemand ernsthaft an eine Wende glauben mochte. Und viel mehr, weil da der späte Beweis erbracht wurde, daß auch diese junge Freiburger Mannschaft wieder das Potential besitzt, die individuell überragend besetzten Münchner in Bedrängnis zu bringen.
Selbst wenn die sich in einer Verfassung zeigen „wie noch nie in Freiburg“ (Finke). Nicht nur der Freiburger Trainer war vor allem von der Konzentration und Entschlossenheit beeindruckt, mit der sich das gesamte Bayern-Team präsentierte. „Respekt“, bekundete Finke dem Trainer-Kollegen, „derzeit wird das Potential bei Bayern voll ausgeschöpft.“
Hitzfeld gab die Blumen artig zurück: „Hätte Freiburg in der letzten Viertelstunde noch ein Tor gemacht, dann wäre es noch mal spannend geworden.“ Ein Konjunktiv, der dem Sport-Club an diesem Nachmittag nicht mehr weiterhalf. Eine Option auf die Zukunft ist er allemal.
Die sah auch Stefan Effenberg bei einem Münchner „Sieg von unheimlich hoher Bedeutung“. Wie weit er trägt, muß sich zeigen. Gegen den FC Barcelona zum Beispiel. Da arbeitet man wie in Freiburg an einer modernen Spielauffassung – und mit einem Geldeinsatz wie bei Bayern München.
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