: Zu Kreuze kriechen
■ Fahrerflucht: Innensenator Wrocklage knapp am Rücktritt vorbeigeschrammt
Noch nie mußte Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) so zu Kreuze kriechen wie gestern an seinem 59. Geburtstag. Demütig und reuevoll gestand er an der Seite des Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde (SPD) der Medienöffentlichkeit, daß er großen Mist gebaut hat: „Ich habe Fehler gemacht, für die ich mich entschuldige.“
Der oberste Chef aller Hamburger Polizisten hatte am Sonntag abend auf dem Weg zum Theater einen parkenden Jeep gerammt und Fahrerflucht begangen. Zuvor hatte er das andere Auto inspiziert und keinen Schaden festgestellt. Eine Augenzeugin zeigte ihn an. Der Schaden beläuft sich auf wenige hundert Mark. Er wisse, daß man in einem solchen Fall die Polizei anrufen muß. Doch „ich bin davon ausgegangen, daß es kein Unfall ist“, rechtfertigte er sich. Im Rückblick „schmerze“ ihn der „Kardinalfehler“, die Ordnungshüter nicht benachrichtigt zu haben.
Den Schmerz kann man gut verstehen. Denn Wrocklage ist nur äußerst knapp an einem Rücktritt vorbeigeschrammt. Er selbst habe „ernsthaft erwogen“, seinen Hut zu nehmen, sei aber „zu dem Ergebnis gekommen, daß es sachlich unangemessen und politisch fehlerhaft wäre“.
Die SPD-Fraktion und der Erste Bürgermeister stützten gestern den hochrangigen Verkehrssünder. Ein Rücktritt wäre „unangemessen und unverhältnismäßig“, befand Senatschef Runde. Man habe aber durchaus diskutiert, ob Wrocklages Verhalten Konsequenzen nach sich ziehen müßte. Denn er habe „fehlerhaft“ gehandelt. Es sei zudem durchaus ein Unterschied, findet auch Runde, ob irgendein Bürger oder der Innensenator sich unerlaubt vom Unfallort entfernt.
Schon einmal mußte ein Senatsmitglied seinen Stuhl räumen: 1984 prallte Finanzsenator Jörg König (SPD) nach einer Party mit seinem Dienstwagen gegen eine Leitplanke und machte sich aus dem Staub.
In jedem Fall kommt nun ein Verfahren auf Wrocklage zu. Ob er mit einem Verkehrserziehungskurs, einer Geldbuße oder einer Vorstrafe rechnen muß, wußte er nicht zu sagen: „Ich bin zum ersten Mal in einer solchen Situation.“
Silke Mertins
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