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Reanimierte Bürgerschaft

Bewußtlosigkeit und was man dagegen tun kann: Parlamentspräsidentin und Abgeordnete mühen sich mit der Wiederbelebung ab  ■ Von Silke Mertins

Wiederbelebung ist für die Hamburger Politik ein wichtiges Thema. Das heißt: Im Rathaus betrachtet man den Zustand der Bewußtlosigkeit nicht grundsätzlich als wünschenswert. Im Falle der Leblosigkeit soll sich also um Reanimierung bemüht werden. Erst einmal aber muß festgestellt werden, ob eine Bewußlosigkeit vorliegt. Lebensretter Dirk Barthels vom Arbeiter-Samariter-Bund demonstrierte der lernwilligen Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape (SPD) gestern im Rathausfoyer, wie man das macht.

„Hallo, sind sie bewußtlos?“ Da die Puppe nichts sagt, stellt der Helfer fest: „Die Person ist bewußtlos.“ Die Präsidentin nickt. Bis hierher hat sie alles verstanden. „Ich überstrecke jetzt mal den Hals.“ Aha. Frau Pape paßt jetzt gut auf. Nix tut sich. Der Helfer schreitet zur Reanimierung. Erst Mund-zu-Mund-Beatmung, dann wird der Brustkorb bearbeitet. Oje, das ist gar nicht einfach. Die Präsidentin muß niederknien. Sie greift nach dem Kopf und pustet. „Gar nicht groß pusten, nur hineinatmen“, sagt der Fachmann. „Ist ja nur eine Puppe“, sagt Frau Pape. Gottseidank. Und außerdem „liegt unsere Politik nicht so danieder – so bewußtlos ist sie nicht.“

Mit Reanimierung versuchten sich auch verschiedene Abgeordnete. Wolf-Dieter Scheurell (SPD) ist sogar überaus eifrig. Er reanimiert nach Leibeskräften bis ihm die Haare wirr im Gesicht hängen und sich Schweiß auf den Schläfen bildet. Nicht, daß da gleich noch einer Hilfe braucht. Jetzt ist Frau Brinkmann dran. Einsatzfreudig drückt sie den wiederzubelebenden Brustkorb ein. So gründlich, wie die Umstehenden fanden, daß Rippenbrüche wohl nicht auszuschließen sind. „Er lebt wieder, Holger!“ vermeldet Brinkmann ihrem SPD-Fraktionschef Holger Christier. Der freut sich. Denn wer weiß, ob es im wirklichen Leben nicht mal ein „lebloser Senator“ ist, den sich Frau Brinkmann vorknüpft.

Christier selbst beschreibt sich als einen Menschen, der vorrangig visuell lernt. Durchs Zugucken weiß er also schon Bescheid. Vor allem: „Wichtig ist doch, daß die anderen wissen, wie ich gerettet werde – und dafür habe ich ja jetzt gesorgt.“ Um Aktivitäten gegen die Bewußtlosigkeit sorgte sich später zwischen zwei Debatten auch der Erste Bürgermeister Ortwin Runde. Man kann die Reanimierung schließlich nicht nur der Legislative überlassen. „Nun zeigen Sie mal!“ forderte er die Helferin auf. Runde selbst mußte nicht Mund-zu-Mund-beatmen. Seine Aufgabe bestand darin, den Brustkorb einzudrücken. Und das, wurde er gelobt, „machen Sie sehr gut“.

Die gemeinen BürgerInnen dürfen selbstredend auch zur Wiederbelebung beitragten und selbiges üben. Am Samstag findet ein bundesweiter Aktionstag statt.

Arbeiter-Samariter-Bund: Passage Landesbank Galerie, Gerhard-Hauptmann-Platz, 10-15 Uhr; Rotes Kreuz: Autohaus Opel-Dello, Bahrenfelder Chaussee 110-118, 8.30-16 Uhr; Johanniter-Unfall-Hilfe: Gänsemarkt, 9-16

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