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Widerstand gegen Schlüsselsammler

■ Industrie und Rexrodt ärgerlich über Internet-Politik der USA

Berlin (taz) – „Für den Handel im Internet ist die Verschlüsselung lebenswichtig“, sagte Jörg Harms, Oberlobbyist der US-Informationstechnik-Industrie. Ohne Vertraulichkeit werde elektronischer Handel gebremst. Die Wirtschaft befürchtet, Geschäfte über Internet könnten ausspioniert werden.

Die böse Bremserin war gestern auf einem Informationstechnik- Kongreß in Berlin die US-Regierung. Sie will, daß Behörden jederzeit Zugriff auf alle Daten im Netz haben. Nach einem vorerst befristeten Gesetz müssen die Schlüssel für jeden Code bei staatlichen Stellen bereitliegen. Im Zweifelsfall muß beispielsweise die CIA in zwei Stunden auf einen Schlüssel zugreifen können. Die Unternehmen fürchten, daß dies zur Industriespionage genutzt wird.

Bundeswirtschaftminister Günter Rexrodt (FDP) kündigte gestern Widerstand gegen die Haltung der USA an. Der Versuch, Verschlüsselungstechnik weltweit unter Kontrolle eines einzigen Staates zu bringen, sei nicht akzeptabel. Seine Haltung, sagte Rexrodt, sei mit Innenminister Manfred Kanther (CDU) abgestimmt. Dem wurde bisher nachgesagt, er wolle am liebsten genauso wie die USA alle Codes in den Behördenschubladen sehen.

Der Streit soll im Rahmen eines internationalen Abkommens zum Internet-Handel diskutiert werden, das Anfang Oktober auf einer Ministerkonferenz im kanadischen Ottawa entwickelt werden soll.

Ungeklärt ist dabei nicht nur die der Verschlüsselung: „Wenn ein Japaner etwas in einem Cyber- Einkaufszentrum in den USA bestellt, nicht zufrieden ist und es zum Streit kommt“, fragte der japanische Industrielle Michio Naruto, „gilt dann japanisches oder amerikanisches Recht?“ Unklar ist auch, welches Urheberrecht gilt und welche Steuern fällig werden. Die Industrie drängt: Sie schätzt, daß 2001 über das Internet weltweit mehr als 500 Milliarden Mark eingenommen werden. Vor drei Jahren waren es noch schlappe 688 Millionen. Georg Löwisch

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