: Wenn Jürgen Schrempp nur noch „Blablabla“ entfährt
■ Daimler-Hauptversammlung führte zu gewünschtem Erfolg, zerrte aber an den Nerven aller
Stuttgart (taz) – Der Marathon dauerte 13 Stunden und zehn Minuten und brachte das Traumergebnis: 99,9 Prozent der Daimler- Aktionäre stimmten für die Fusion von Daimler Benz und Chrysler. Damit entsteht der drittgrößte Autokonzern der Welt, nachdem auch die Chrysler-Aktionäre zu 97,5 Prozent der Fusion zugestimmt hatten. Daimler-Aufsichtsratsvorsitzender Hilmar Kopper leitete die 15. außerordentliche Hauptversammlung der Daimler Benz AG am Freitag mit strenger Zucht und brachte sie kurz vor Mitternacht zum Ende. Er begrenzte die Redezeit der Aktionäre erst auf zehn, dann auf fünf Minuten. Dem deutlichen Ja der rund 15.000 Aktionäre in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer- Halle waren 77 Wortmeldungen vorausgegangen, die Vorstandschef Jürgen Schrempp und Hilmar Kopper manchmal nur mit mühsam gewahrter Contenance erduldeten.
Auch solche Kleinaktionäre, die lediglich ihrer Begeisterung für die Fusion zur Daimler Chryler AG Ausdruck verleihen wollten und das Management lobten, zerrten zu fortgeschrittener Stunde unübersehbar an den Nerven derer, die auf dem Podium auf alle Fragen antworten mußten. „Blablabla“, entrutschte es Schrempp, der sich zudem den gewohnten Zigarettenkonsum verkneifen mußte. Hilmar Kopper enthielt sich auch anderer menschlicher Bedürfnisse. Insider erklärten sein gewichtiges Beharrungsvermögen damit, daß er schon am Vortag auf Getränke verzichte.
Am Nachmittag gerieten die Wortmeldungen zum nostalgischen Abschiednehmen vom traditionsreichen Konzern Daimler Benz. „Daimler-Benz-Aktien verkauft man nicht, man vererbt sie“, sagte ein Kleinaktionär. Ein anderer beantragte die Beibehaltung des Bestandteils „Benz“ im Firmennamen. Zum anderen traten mehr oder weniger begnadete Selbstdarsteller auf, gestoppt nur durch das rotblinkende Lämpchen am Mikrofon, das den Ablauf der Redezeit signalisierte. Bei Dauerlicht verfügte Knopfbeherrscher Kopper das Aus.
Das bereits rituelle Rededuell zwischen Kopper und dem Würzburger Professor Ekkehard Wenger geriet auf dieser letzten Hauptversammlung im alten Firmengewand besonders heftig. Wenger, der mit einem Rechtsstreit die Aktienoption für die Daimler-Manager blockiert, löste fast eine Rangelei aus, als er die Versammelten wegen der Buhrufe beschimpfte, die ihm entgegenschallten. Kopper befand: „Herr Professor, Sie sind unerträglich!“ und schaltete das Mikrofon ab.
Ebenfalls am Freitag hatten die Chrysler-Aktionäre der Fusion mit 97,5 Prozent zugestimmt. Nur 139 waren nach Wilmington/Delaware gekommen, die meisten gaben ihre Stimmen schriftlich oder per Internet ab. Kritik kam dort vor allem von jüdischen Aktionären, die an Kriegsverbrechen und Zwangsarbeit deutscher Unternehmen erinnerten. Auch Chrysler-Chef Robert Eaton, der nur noch drei Jahre lang neben Schrempp mitregieren will, war mit deutschen Kritikern konfrontiert. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre war mit einer Frageliste angereist. Heide Platen
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