: Gen-Food für Bravo-Girls
■ Die Gentech-Lobby buhlt um Jugendliche: „Wie gefährlich ist es, Gene zu essen“, fragt Saskia P. Viereckige Tomaten sind Quatsch, lernen Boys and Girls beim Gen-Bauern
Ein Boy aus ihrer Clique hatte Kristin M. aus Mönchengladbach verwirrt. Der hatte bedeutende Aussagen über ein wichtiges Zukunftsthema getan: „Gentechnik ist gut für die Umwelt“. „Ist das wahr?“ will das „Girl“ jetzt wissen. „Dein Freund hat recht“, verheißt die Antwort im Dr.-Sommer-Stil, nachzulesen in einem jugendlich frisch gestalteten Druckwerk, das jetzt auch in Bremer Kneipen zu finden ist.
Auf dem Titel nesteln ein knackiger Boy und ein frisches Girl einen leuchtenden Maiskolben.
Saskia P. hingegen drückt Gentechnik auf die Seele: „Wie gefährlich ist es, Gene zu essen?“ „Überhaupt nicht“, verheißt das Heftchen namens „Gen Food“: „Gene stecken in fast allen Lebensmitteln und bewirken beispielsweise, daß eine Banane schön krumm ist“.
Die Bravo-mäßige Aufmachung, mit der die Gen-Tech-Konzerne Monsanto, Agrevo und Novartis den „Kids von heute“ gemeinsam ihre Technologie als „Zukunftschance“ anpreisen, kommt nicht von ungefähr. Das achtseitige Werk lag ursprünglich der Bravo-Girl bei. „Die Information darf für die Zielgruppe kein Fremdkörper sein“, heißt es bei Monsanto.
So gibt es beim großen Gewinnspiel neben genialen Uhren auch 111 leuchtend orange Schachteln mit coolen „Genetic Cookies“ mit gentechnisch verbessertem Pflanzenöl zu gewinnen, aber nur für diejenigen, die das Lösungswort „In der Gentechnik liegt unsere ...“, na? Richtig: unsere „ZUKUNFT“ rausknobeln.
Gentech ist cool, das wissen auch drei „Kids von heute“, die im Heft einen netten, rothaarigen Gen-Forscher besuchen, der an seiner Doktorarbeit zum Thema „Waldsterben“ arbeitet. Jetzt wissen sie, was los ist im Genlabor. „Erst wollte ich gar nicht mitgehen, weil ein Freund mich gewarnt hatte“, bekennt Susann, 18 Jahre, Arzthelferin. „Aber es war toll!“
Natürlich kommt auch das erste „Gen-Food“, die Antimatsch“-Tomate, vor, neben fröhlich im Grünen picknickenden Kids. Die Gen-Tech-Sorte „Flavr Savr“, seit 1994 in den USA zugelassen, hält nicht nur länger, sie schmeckt auch besser: Während andere Tomaten grün gepflückt werden, können Gen-Tomaten am Strauch ausreifen.
Aber auch die Sorgenvollen unter den „Kids“ bedenken die Autoren: „Niemand muß übrigens befürchten, daß solche Freilandversuche außer Kontrolle geraten. Dafür sorgen umfangreiche Vorschriften für die Sicherheitsforschung“.
Menschlicher Höhepunkt des Druckwerks ist aber die Geschichte von Tanja (17), Silke (16) und Sven (17), die ihre Sportvereins-Freundin Lisa (17) auf dem Land besuchen. Sie staunen: Lisas Vater setzt auf moderne Gentechnik. Dabei sehen Kuhstall und Scheune aus, wie bei jedem Bauernhof.
Dafür hat Lisas Bude es den Stadtkids angetan: 80 Quadratmeter Dachboden unter malerischem Gebälk. Bisher ist richtiger Anbau von Gen-Produkten noch nicht erlaubt. Aber Papa hat einen Hektar für einen Freilandversuch mit gentechnisch verändertem Mais zur Verfügung gestellt. Er findet toll, daß er vielleicht mit weniger Pflanzenschutzmitteln genausoviel ernten kann wie seine Kollegen. „Hast Du keine Angst, daß mal was schief geht“, fragt Sven besorgt. „Nein“, lächelt Lisa. Da bahnt sich was an: Hat Sven sich in Lisa verliebt? Und so hoffen Silke und Tanja auf der Rückfahrt schon auf die romantische Bauernhochzeit neben dem Gen-Acker. Joachim Fahrun
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