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Anklage gegen Verweigerer

■ Mitglied des Landesvorstandes der Grünen trat auch nicht zum zivilen Ersatzdienst an

Die Zeiten, in denen die Mauer Schutz vor der Einberufung zum Bund bot, sind vorbei. Aber was das Verhältnis zur Wehrpflicht angeht, sind die Berliner immer noch renitenter als der Rest der Deutschen, weiß die Kampagane gegen Wehrpflicht. Heute muß sich das Landesvorstandsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen, Tilmann Heller, wegen totaler Kriegsdienstverweigerung vor dem Amtsgericht verantworten. „Total“ heißt: weder Wehrdienst noch Zivildienst ableisten. Im Amtsdeutsch lautet der Vorwurf gegen Heller „Verstoß gegen das Zivildienstgesetz“. Der 23jährige Student der Politikwissenschaften war im Dezember 1997 ins Fadenkreuz der Justiz geraten, weil er seiner Einberufung zum Zivildienst nicht Folge geleistet hatte.

„Ich lehne alle Kriegsdienste aus Gewissensgründen ab“, sagt Heller. Zivildienst bedeute für ihn Kriegsdienst, weil auch dieser durch Befehl und Gehorsam organisiert sei und Ersatzdienstleistende für den Kriegsfall verplane.

Heller ist seit einem Jahr Mitglied des Grünen-Landesvorstandes. Die Partei, die für die Abschaffung des Wehrdienstes eintritt, will ihn nach Kräften unterstützen. „Schließlich versucht er unser Programm durchzusetzen“, so Vorstandssprecher Andreas Schulze. In seinem heutigen Prozeß wird Heller eine Erklärung verlesen und einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht durch das Bundesverfassungsgericht stellen. Aber er macht sich keine großen Illusionen, daß es ihm besser ergehen wird als anderen totalen Kriegsdienstverweigern.

Im letzten Prozeß im Frühjahr 1998 hatte das Amtsgericht gegen den totalen Verweigerer Christof H. elf Monate ohne Bewährung verhängt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sein Vorgänger Kaspar B. war 1997 in zweiter Instanz zu sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Durch ein Gnadengesuch bei der Senatsverwaltung für Justiz ist der Medizinstudent nach Angaben des Sprechers der Kampagne gegen Wehrpflicht, Ralf Siemens, gegen eine Bewährungsauflage vor der Haft bewahrt worden. Siemens schätzt, das bundesweit rund 200 junge Männer „total“ den Kriegsdienst verweigern. Genaue Zahlen gebe es nicht. Der in Wehrrechtsfragen versierte Rechtsanwalt Kajo Frings weiß, daß in Berlin gegen totale Kriegsdienstverweigerer grundsätzlich nur Haft- und Bewährungsstrafen verhängt werden. Verfahrenseinstellungen und Geldstrafen seien tabu. „Im Gegensatz zu den norddeutschen Ländern ist in Berlin ein Trend zu einer Gangart erkennbar“, so Siemens.

Von den rund 400.000 Männern, die jährlich zum Bund einberufen werden, kann laut Kamapgne inzwischen nur noch ein Drittel wirklich eingezogen werden. Das zweite Drittel verweigere und leiste Ersatzdienst. Das dritte Drittel schaffe es, „durch Tricksereien und Ausnahmeregelungen“ um Wehr- und Ersatzdienst herumzukommen. Plutonia Plarre

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