: Finsternis verscheuchen
■ Von Papas Klavier über Wien und Salzburg an die Hamburgische Staatsoper: Die Staderin Angela Denoke singt die Marie in Alban Bergs Wozzek
Achtzehn Jahre lang lebte Angela Denoke in Stade an der Niederelbe. Der Vater spielte nach Feierabend Tanzmusik, die Heranwachsende sang ihm zuliebe gelegentlich mit. Nach dem Abitur zog sie schräg über die Elbe und studierte Musik in Hamburg. Eine unter vielen. Bis zum ersten Engagement in Ulm, wo sie sich und ihre Stimme ausprobieren konnte. Es folgte ein Engagement in Stuttgart, wo sie bis heute Ensemblemitglied ist. 1996 ein sensationeller Erfolg in Salzburg. In den folgenden Jahren Triumphe in Frankfurt, wieder Salzburg, Wien. Jetzt kehrt sie nach Hamburg zurück. Nicht mehr als eine unter vielen, sondern als Marie in Peter Konwitschnys Inszenierung von Alban Bergs Jahrhundertoper Wozzek.
taz hamburg: Ihr Fahrrad haben Sie dabei?
Angela Denoke: Klar, ich fahre jetzt sogar bei Regen, hab mich wieder ans Hamburger Wetter gewöhnt. Ich hab das Auto vollgeladen, das Fahrrad obendrauf. Ich habe gerne so einige Sachen um mich, wenn ich wo bin. Ich bring' meine Musik mit, paar Bücher.
Nur klassische Musik?
Auch Pop. Alles mögliche. Zweieinhalb Monate sind eine lange Zeit.
Leben Sie hier im Hotel?
Ich wohne in der Wohnung eines Freundes. Ich versuche bei längeren Engagements immer, eine Wohnung zu bekommen. Zwei Monate im Hotel würden mich wahnsinnig machen. Aber bei einem Konzert drei, vier Tage im Hotel verwöhnt zu werden, das ist schön.
Haben Sie als Studentin bei Konzertbesuchen vom vierten Rang nach unten gespäht, ob da noch irgendwo was frei war?
Logo. Woanders, zum Beispiel in der Wiener Staatsoper, geht sowas nicht. Ich habe es mal versucht. Da kommen die Ordner und schicken einen wieder nach oben.
In der Musikhalle geht es auch nicht mehr, seitdem die Karten an den Seitenfluren abgerissen werden.
Und nach der Pause?
Stimmt, das geht noch.
Ich freue mich immer, wenn die Leute runterkommen. Es ist viel schöner zu singen, wenn das Parkett voll ist.
Sie sind ein lyrischer Sopran?
Mehr ein jugendlich-dramatischer, etwas Seltenes, ein Zwischenfach zwischen lyrisch und dramatisch.
Darum haben Sie bisher viele romantische Rollen bekommen, von der Agathe im Freischütz über Eva in den Meistersingern und Sieglinde in der Walküre bis zur Jenufa?
Ich bemühe mich gerade auch wieder um Mozartpartien. Die Gräfin oder die Fiordiligi singe ich auch sehr gern.
Was ist im Hamburger Wozzek anders als in Peter Steins Salzburger Inszenierung von 1997, in der Sie erstmals umjubelt wurden als Marie?
Stein hat sich eng an Alban Bergs Regiebemerkungen gehalten. Bei ihm war die Marie eine kämpferische Frau. In Hamburg hat sie ganz verschiedene Seiten. Das Stück beginnt hier nicht tragisch. Marie versucht, Wozzek sogar zu verführen, die Finsternis um ihn herum zu verscheuchen. Sie ist eine körperbewußte, lebenspralle Frau. Durch Wozzek verändert sich alles. Fast ist er der Normale. Alle anderen werden schizophren.
Wie?
Schwer zu erklären. Man muß sich das anschauen.
Interview: Stefan Siegert
Premiere: Sonntag, 27. September, 16 Uhr, Staatsoper
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