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Die Teddys von Frau Bredow

■ Berliner Zimmer, Teil 15. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Ich bin Florentine C. Bredow, das ist ein alter preußischer Name. Ich habe Kunstgeschichte studiert. Wenn Sie wissenschaftlich und sachlich an alte Dinge herangehen, ist die Liebe zu den Sachen schon vorhanden. Wenn Sie jetzt von Bildern, Möbeln oder Porzellan ausgehen, sind das ja Dinge, die den nächsten Generationen überliefert oder übermittelt worden sind. Ich bin jetzt knapp 30 Jahre in Berlin, ich bin nicht in Berlin geboren, bin hergekommen. Das Eldorado in Berlin sind ja die verschiedenen Märkte, die Möglichkeit, die man hat, hier rumzusausen. Als die Mauer noch stand, war man viel mehr aufeinander angewiesen, man kannte sich untereinander, man sprach über die Dinge. Es hat hier eskaliert in Berlin. Ein Museum wollte ich schon immer machen.

Ich kannte damals den Schauspieler Peter Bull aus England, der in Brideshead mitgespielt hat und ein bekannter Schauspieler ist. Der ist leider 1984 aus Altersgründen verstorben. Und wir haben Korrespondenz geführt. Und er war einer der Erwachsenen, der damals schon gesagt hat: „Ich stehe zu meinem Teddybären. Er hat meine Kindheit begleitet, er ist wichtig für mich.“

Er hat auch im Film Brideshead, darauf bestanden, daß sein Teddy aus damaligen Zeiten mitspielt. Und man hat ihn immer sehr belächelt, genauso wie meine Kollektion sehr mit gerümpfter Nase betrachtet worden ist, früher. Weil es altes Spielzeug war, was abgeliebt und bespielt ist und gammelig aussieht, also Spuren zeigt.

Wann das richtige Sammeln begann, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Man hat so seine Vorliebe, stellt sich das so hin. Und dann hat man eine Zeit, in der man nichts mehr damit zu tun haben möchte, dann ruht das Ganze.

Dann geht's eigentlich los, daß man ein älteres Teil findet oder ein anderes oder ein größeres, genau wie bei Porzellan oder anderen Sammlungen auch. Allerdings steckte dieses Sammelgebiet damals, vor dieser langen, langen Zeit noch in den Kinderschuhen und war überhaupt nicht entdeckt und nicht respektiert. Der erste Teddy war aus der Kindheit. Das fängt ja immer mit den eigenen Dingen an, daß man dann so eine Affinität dazu entwickelt. Dann kamen die von meinem Bruder dazu, dann waren es schon vier, aus der Nachbarschaft fünf, sechs. Also eine Riesenkollektion kann nur aus den eigenen Kindheitserinnerungen oder -beschäftigung entstanden sein.

Es geht zurück auf unseren europäischen Kulturkreis und in Deutschland auf die Firma Steiff, die in Süddeutschland angesiedelt war und auch noch in den Kinderschuhen steckte. Die also auf dem Gebiet der Vorreiter war. Man sagt aber auch, daß gleichzeitig, so um 1900, 1903, die Entwicklung parallel stattgefunden hat in Amerika. Diese deutsche Firma hat Anfang dieses Jahrhunderts auf der Leipziger Messe, die eine große Umschlagmesse für neue Produkte war, Bären ausgestellt. Es ging eigentlich mit dem Bären los, und der wurde dann erst zum Teddy. Der Ursprung ist eigentlich der wilde Bär, Berlin hat ja den Bären sogar auch im Wappen.

Der älteste Bär dieser Sammlung ist ein Ziehtier vor 1900, auf vier Rädern. Nach Bildern von exotischen Tieren und von Bären und als Reittiere für Kinder, gibt's ja heute noch. Wie kommt es vom Bären auf vier Pfoten zum aufrechten Bären? Der Teddy wurde nach Theodore Roosevelt benannt. Und in dem Moment, wo der Teddy aufrecht steht und als Teddy daherkommt, hat er den Stummelschwanz verloren. Da hat noch niemand was drüber geschrieben, ‘ne ganz komische Sache, denn der richtige Bär an sich hat von Natur aus ein Stummelschwänzchen. Der Teddy hat den nicht mehr, aus, vorbei, weg.

Es gibt sehr viele Sachen auf dem Gebiet, die sich hinterher als außergewöhnlich herausgestellt haben. Wenn man sie hat, achtet man nicht so darauf. Durch die Forschung und durch den Fall der Mauer hat man noch sehr viel mehr Herstellerfirmen erfaßt und Kataloge eingesehen und sich besondere Sachen angekuckt. Hier gibt es absolute Raritäten drunter. Das sind zum Beispiel Rolly-Polly- Teddybären, die nur aus einem Ball bestehen, die hatten nie Beine und Füße. Eine Spielform, der wurde zugeworfen wie ein Ball und hat noch Klappergeräusche gemacht. Solche Sachen sind erst viel später erforscht worden. Es bedarf einer längeren Zeit, daß man weiß: Aha, das ist was von früher, was es nicht so oft gibt. Dann gibt's weiße Teddybären, die Farbe weiß war sehr selten.

Es gibt auch einen Bär, der guckt sehr grimmig, der ist auch nicht viel verkauft worden und daher selten. Firmen, die besondere Schnittmuster herausgegeben haben. Ein schwarzer Teddybär, der sehr selten ist. Es hängt mit der Titanic zusammen, daß sie so einen Trauerbären entwickelt haben in Schwarz. Erkenntnisse, die man in den vergangenen Jahren gewonnen hat.

Oder ein bestimmtes Schnittmuster ist ein Teddybaby. Die Firma Steiff hat es nie geschafft, das patentieren zu lassen. 1903 ungefähr wurde das abgelehnt. Und alle anderen Firmen, die damals schon existiert haben, haben dieses Schnittmuster auch benutzt. Das wurde ein Renner. Die Firma Steiff hat vergangenes Jahr gerade einen in Schwarz wieder herausgegeben, mit dem gleichen Schnittmuster, wie damals.

Am teuersten sind die ersten Teddybären, die besonderen Augen haben. Man hat sich damals beholfen, indem man für die ersten Tiere und ersten Teddys die Knöpfe von den Schuhen genommen hat, als Augen. Natürlich haben viele Händler das erkannt und nähen schon mal normalen Teddys von 1940 solche Knöpfe an. Denn nachher kommen Glasaugen und 50er Jahre Plastik, schwarz und weiß wie Fix und Foxi von Rolf Kauka. Oder Bussi-Bär. Ist auch schon 84 Jahre jetzt, lebt schon lange in Florida. Und der hat diese in Lizenz verkauft an Dr. Rieger, der ist der Inhaber der Süßwarenfirma Haribo. Der den Haribobären dann draus gemacht hat. Heute sind es nur ganz kleine schwarze Plastikaugen. Ohne Farbe, ohne Pupille, einfacher geht's nicht mehr.

Kennen Sie das Geheimnis des Teddys, warum er die Zöpfe hat? Er hat die Ohren verloren. Da hat sich der Besitzer was ausdenken müssen. Das ist das erste, was ein Teddy verliert: die Augen, die Ohren oder auch einen Arm.

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