: Bock zahlt und wird zum Gärtner
In Ostdeutschland werden Naturschutzflächen privatisiert. Umweltministerium sieht kein Problem. Doch erfahrungsgemäß geht Eigentum vor Naturschutz ■ Von Bernhard Pötter
Was hier passiert, gibt es in ganz Europa kein zweites Mal“, empört sich Eva Pongratz von „Europarc“, dem Dachverband europäischer Großschutzgebiete. „In allen anderen Ländern erwirbt der Staat Naturschutzflächen von Privaten, um sie unter Schutz zu stellen. Nur in Deutschland werden Schutzflächen an Private verkauft.“
Um genau zu sein: im Osten Deutschlands. Denn während die Schutzgebiete im Westen der öffentlichen Hand gehören, verkauft die „Bodenverwertungs- und -verwaltunggesellschaft“ (BVVG), eine Tochter der Treuhand-Nachfolgerin BVS, seit Jahren die grüne DDR-Erbschaft des Bundes. Insgesamt 620.000 Hektar Forst stehen zum Verkauf, darunter auch Naturschutzflächen und Totalreservate. Was Umweltschutzverbände als Skandal bezeichnen, ist für BVVG und Bundesumweltministerium kein Problem: Die Behörde verweist darauf, sie handele streng nach Recht und Gesetz. Und das Umweltministerium beruhigt: „Die Käufer bekommen ja Auflagen.“ Grundsätzlich sind für das Merkel-Ministerium private Eigentümer Garanten für „ganz hervorragenden Naturschutz“.
Die Realität sieht anders aus. „Konflikte mit Privatleuten in Schutzgebieten sind die Regel“, meint der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Und in der Regel ziehen die Verwaltung und der Naturschutz dabei den Kürzeren.“ Selbst bei gutwilligen Öko- Eigentümern fürchtet Michael Luthardt vom Biosphärenreservat Schorfheide in Brandenburg Probleme. Die Auflagen werden von der BVVG über zwanzig Jahre kontrolliert – „für langfristige Waldwirtschaft ein Witz“.
Deutlichstes Beispiel für die Niederlage der Natur gegen das Privateigentum ist die jüngste Entwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald (siehe unten). Auf 25 Prozent der Fläche, die sich eigentlich ohne Eingriffe entwickeln sollte, wütet jetzt die Kettensäge „in Übereinstimmung mit den internationalen Bestimmungen“, so die Parkverwaltung. Auch in anderen Schutzgebieten sind die privaten Eigentümer und Nutzer keineswegs die besten Naturschützer. Mitten im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft stören Urlaubssegler und ein legaler Campingplatz auf der Halbinsel Darß-Zingst die Natur. Inzwischen sind 70 Prozent der Wasserfläche im Park für Sportboote geöffnet.
Auch Bauern sind keine Naturschützer: Im Nationalpark „Unteres Odertal“ soll bis 2010 die Hälfte der 10.000 Hektar als Totalreservat von jeder Nutzung ausgenommen werden. Doch die ansässigen Bauern beackern noch etwa 2.500 Hektar Land, das demnächst Reservat werden soll. Weil die Landwirte gegen das Vorhaben Sturm liefen, wurde festgelegt, daß nur die Hälfte des Parks als Totalreservat ausgewiesen wird. Und auch die Leitung des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sieht ein, daß eine nutzungsfreie Zone, wie eigentlich vom Schutzstatus her erforderlich, gegen die Interessen der Fischer nicht durchzusetzen ist. Selbst der Bund erlaubt in den Nationalparks Schießstände und Militärflüge, Ölförderung und Holzeinschlag. „Ärger gibt es auf alle Fälle“, sagt Christoph Heinrich vom Nabu. „Und die Verwaltungen haben nicht die Kapazitäten, die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen.“
Den Ausverkauf der Schutzflächen im Osten könnten die Länder verhindern – doch ihnen fehlen Geld, Tauschflächen und oft auch der Wille. Brandenburg zum Beispiel zahle mehr Geld an Bauern für Flächenstillegungen als für den Erwerb von Naturgebieten, bemängelt Arnd Grewer von den Bündnisgrünen in Brandenburg. Beim Flächentausch bremse „vor allem die Forstverwaltung in den Ländern“, weil sie durch die Bereitstellung von Tauschgebieten ihre Pfründen nicht aufgeben wolle. Und schließlich seien die Länder langsam bei der Ausweisung von Schutzgebieten, schnelleres Handeln hätte so manches Schutzgebiet gerettet. „Die BVVG richtet sich bei den Verkäufen schließlich danach, ob die Länder die Gebiete unter Schutz gestellt haben.“
Trotz der Versicherung, auf Schutzgebiete zu achten, bietet die Bundesbehörde immer wieder Filetstück an. So galt der Waldbesitzer und Jagdfunktionär Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg als einer der chancenreichsten Kaufinteressenten für den „Forst Redernswalde“, Herzstück des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin. Der Adelige meint, daß „ordentlich durchgeführte Kahlhiebe ökologisch unproblematisch“ sind – und gilt nach einem Aufschrei der Naturschützer selbst für den Bund nicht mehr als bevorzugter Käufer. Das Gebiet sei nur durch Zufall auf die Verkaufsliste gekommen, sagt jetzt Herbert Wölzel von der BVVG. In der Tat weiß beim Flächenpoker eine Hand oft nicht, was die andere tut. Während der Bund beim Verkauf Geld kassiert, gibt er pro Jahr 42 Millionen Mark für den Kauf von „Naturschutzgroßflächen“ aus – manchmal für zwei benachbarte Gebiete.
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