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Die Zukunft war gestern

In Stephen Hopkins' „Lost in Space“ geraten Raum und Zeit durcheinander. Der Rest ist ein doch eher biederes Familienmärchen. Und Papa ist immer noch der Beste  ■ Von Harald Fricke

Kurz vor dem Millennium werden die Dinge sehr futuristisch. Zwar soll Benzin bald fünf Mark kosten, aber dafür verbrauchen so kleine Renaults oder Peugeots oder Smarts nur noch vier Liter auf 100 Kilometer. Vor 15 Jahren hätte Hoimar von Ditfurth solche Werte in „Querschnitt“ als zweifelhaftes Wunder der Technik vorgestellt. Heute schaut man unter „Wunder“ im Internet nach und verläßt sich bei den neusten Oktanzahlen – 95, 98 oder Diesel – lieber auf den DEA- Tankwart als Ratgeber.

Wo technische Machbarkeiten schon auf der Alltagsspur dermaßen schnell an einem vorbeirauschen, sieht auch Science-fiction eher wie ein Auslaufmodell aus. Das merkt man zumindest Filmen der letzten Zeit sehr an: Nachdem sich das Genre jahrzehntelang tricktechnisch mit Special-effects an gebastelten Jupitermonden ausgetobt hat, wirken die neuen Produktionen trotz kompletter Digital-Magic stets ein wenig verklärt, sentimental – eben retro. „Akte X“ ist das Remake einer Strange-phenomena-Serie aus den Sixties, „Godzilla“ stammt aus dem Japan der fünfziger Jahre, und auf „Starship Troopers“ hat sich der Regisseur Paul Verhoeven mit Leni- Riefenstahl-Filmen vorbereitet. Die Zukunft war gestern.

Auch „Lost in Space“ ist vom Konzept hinter der Story bis zu den kleinsten Designspielereien in solche Zeitschleifen verwickelt. Als Vorbild diente „Die Schweizer Familie Robinson“, eine Art Weltall- Soap-opera, die zwischen 1965 und 1968 im US-amerikanischen Fernsehen lief. Der Erfolg der Serie kam durch die grelle Harmonie, mit der die Figuren ihr High-Tech- Leben in Outer space führen konnten. Am Ende des Universums begann jeder Tag recht erdverbunden mit frischen Pancakes, und selbst die Monstren auf fremden Planeten sahen nur wie wandelnde Antennen und Alufolien aus.

Für die Filmadaption wurde nun nicht bloß die Familie mit all ihren Values in die neunziger Jahre gebeamt – selbst der ursprünglich als Haushaltshilfe durchs Geschehen kurvende Roboter und das Raumschiff sind in ihrer liebevollen Eiförmigkeit direkte Nachbauten der Sixties-Modelle. Irgendwann wird die begeisterte Adaption sogar Teil der Handlung: Nachdem die Crew den Hauptroboter wegen eines Programmierfehlers zerstört hat, bastelt der zehnjährige Robinson-Sohn eine Kinderzimmervariante der Maschine nach. Später wird der Junge sich selbst als einem gealterten Mad Scientist begegnen, der wiederum den eigenen Tod in Kauf nimmt, um den staunenden Knirps aus einer Zeitblase zu retten, die den Planeten überwuchert.

Das ist natürlich für alle Beteiligten recht verwirrend, und auch der Zuschauer blickt nach einer Weile nicht mehr ganz durch, wer hier mit wem durch Zeit und Raum driftet. Dabei ist „Lost in Space“ zunächst nur der übliche Captain- Future-Trash: Im Jahr 2058 ist die Menschheit zwar von allen Länder-, Klassen- und Rassenschranken befreit, dafür sind aber auch die letzten Ressourcen auf der Erde verbraucht. Man muß also nach einem neuen Planeten suchen, wofür der Wissenschaftler John Robinson (William Hurt) mit seiner Familie ins All geschossen wird. Weil der Rest des Sonnensystems jedoch bekanntermaßen höchstens für Bakterien zum Überleben taugt, steuert Vater Robinson durch ein Hypergate gleich das nächste Universum an – und geht prompt in der Fremde verloren.

Technospinnen im Paralleluniversum

Daß der Professor die Flugbahn nicht richtig berechnen konnte, hängt allerdings mit Terroristen zusammen, die einen gewissen Dr. Zachary Smith (Gary Oldman) zwecks Sabotage an Bord geschmuggelt haben. Leider bleibt es bei diesem einen Einfall, weshalb sich Oldman immer wieder schurkisch durch den Ziegenbart fahren muß. Ansonsten fällt es der Situation entsprechend schwer, die Story in Bewegung zu halten – was sollte eine fünfköpfige Familie schon gegen die Unbillen eines leeren Paralleluniversums ausrichten? Manchmal krabbeln zwar ein paar tausend Technospinnen auf anderen Raumschiffen herum, die als Schrott am Wegesrand abgestellt wurden; dann wieder schaut man über gezackte Kraterlandschaften, die sehr an alte Star- Trek-Kulissen erinnern. Soweit die Melancholie.

Offenbar hat sich Akiva Goldsman, der schon die Drehbücher der letzten beiden Batman-Filme schrieb, etwas zu sehr auf den Kultcharakter der ursprünglichen Serie eingelassen und dabei dann vergessen, daß Science-fiction in erster Linie von Action lebt. Nicht einmal die eingebaute Lovestory funktioniert: Das emotionale Gefälle zwischen der ehrgeizigen Professorentochter Judy (Heather Graham) und dem Space-Piloten Don (Matt Leblanc), der als Dick in Uniform das Raumschiff steuern muß, ist übergroß. Während er die Sache gleich auf der Kommandobrücke erledigen will, hat sie im Grunde nur Augen für den Herrn Papa. Das gleiche gilt auch für die restlichen Familienmitglieder – Vater ist der Beste. Aber dafür braucht man eigentlich kein Science-fiction, das kann man auch zu Hause haben oder in der Originalfassung aus den Sechzigern.

„Lost in Space“. Regie: Stephen Hopkins. Mit William Hurt, Gary Oldman, Mimi Rogers, u.a., USA 1998, 121 Min.

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