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Wir schenken uns allen ein Haus

Das Wirtschaftsleben gibt Geld, Kultur- und Geistesleben schenken ihm eine kreative Arbeitsatmosphäre: Generosität soll der Motor für das in Berlin geplante „Haus um die Schenkung“ sein  ■ Von Jochen Siemer

Auf dem Stadtplan sieht das Viertel um die Berliner Klosterstraße ausgesprochen vielversprechend aus: Im Zentrum der werdenden Hauptstadt, keine fünf Minuten vom Alexanderplatz, direkte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Investorenherz, was willst du mehr?

Vor Ort stellt sich jedoch schnell Ernüchterung ein, von Metropole keine Spur. Angegraute Verwaltungsgebäude bestimmen das Bild, schlaglochübersäte Straßen, an denen kein Cafe, keine Boutique, kein Kino die Passanten zum Bleiben verlockt. Die Betreiber der wenigen öffentlichen Einrichtungen, zum Beispiel des Kulturzentrums Podewil, klagen – mitten in einer Viermillionenstadt – über den eklatanten Mangel an Laufkundschaft.

Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. Mitte nächsten Jahres beginnt voraussichtlich der Bau der niederländischen Botschaft und Handelsmission an der Kloster-, Ecke Stralauer Straße, und wenn alles klappt, zieht im Schlepptau der Dependance ein „Brennpunkt urbaner Prozesse“ in das vernachlässigte Quartier: das „Haus um die Schenkung“.

So jedenfalls lautet der Plan, der seinen Ursprung in einem zufälligen Kontakt zwischen holländischen Diplomaten und einem in Berlin tätigen Landsmann hat: Robert Gorter, Leiter des Instituts für onkologische und immunologische Forschung am Krankenhaus Moabit und ein Aids- und Cannabis- Forscher mit internationaler Reputation, hörte mit Interesse, daß die Botschaft nur einen Teil des verfügbaren Geländes benötigt und sich als Nachbarn eine kulturelle Einrichtung wünscht.

Gorter fand schnell Mitstreiter für seine Idee, ein Zentrum zur Vernetzung wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Aktivitäten zu schaffen. Ein Förderverein und eine Entwicklungs-GmbH wurden gegründet, Nutzungskonzepte geschrieben, potentielle Mieter kontaktiert. Mit Förderung des Arbeitsamtes gründeten die Aktivisten das CreativCenter, dessen zehn Mitarbeiter seit August an vielfältigen Konzepten zur Belebung des Klosterviertels tüfteln, die im Dialog mit Behörden, lokalen Initiativen, Gewerbetreibenden und Anwohnern erörtert werden sollen.

Unterdessen nimmt das Bauvorhaben langsam Gestalt an. Die Aufteilung der etwa 5.000 Quadratmeter Nutzfläche „soll ein Potpourri werden“, erläutert Projektleiter Markus Vahlefeld: „eine Kombination von Internationalität und Kiezkultur“. Die Hälfte des Gebäudes bleibt Wirtschaftsunternehmen vorbehalten. Gedacht ist an Läden und Restaurants, „pharmazeutische Firmen anthroposophischer und naturheilkundlicher Richtung“, ein „innovatives Versicherungszentrum“ und natürlich an Unternehmen, die Handelsbeziehungen nach Holland unterhalten. Zwanzig Prozent der Fläche sind für Wohnungen vorgesehen, fünf Prozent für „Einrichtungen des politischen Lebens“ wie Parteien oder regierungsunabhängige Organisationen, und das restliche Viertel soll dem Kulturleben dienen. Im Gespräch sind unter anderem ein Veranstaltungssaal, ein pädagogisches Forschungsprojekt, ein Gesundheitszentrum, Künstlerateliers und ein internationaler Waldorf-Kindergarten.

Auf den ersten Blick mutet diese Konzeption an wie eine typische „Public-private partnership“, also die inzwischen häufiger praktizierte Mischung aus privater Kapitalverwertung und Gemeinbedarfseinrichtungen. Doch wie es sich für eine anthroposophisch geprägte Initiative gehört, ist der theoretische Überbau hier etwas komplizierter. Der Name „Haus um die Schenkung“ soll das Leitmotiv auf den Punkt bringen: die Überzeugung, „daß sich die wirklich fruchtbaren Dinge in der Gesellschaft nur durch Schenkung in Gang setzen“. Und so sehen die Initiatoren auch keinesfalls die Kultur- und Sozialeinrichtungen im Haus als Nutznießer der finanzstarken Gewerbemieter. „Es entsteht eine kreative Atmosphäre“, so Vahlefeld, „die der Wirtschaft von der Kultur generöserweise zur Verfügung gestellt wird.“

Auch die Bewirtschaftung soll einmal auf Generosität basieren. Als Betreiber ist eine GmbH vorgesehen, deren einziger Gesellschafter der „Förderverein Haus um die Schenkung“ ist. Somit ist sichergestellt, daß die gemeinnützigen Einrichtungen von Gewinnen aus der Vermietung profitieren. Die wird es allerdings nur dann geben, wenn auch die Anschubfinanzierung für das 30-Millionen-Projekt dem Namen des Hauses Ehre macht: Etwa 1,2 Millionen Mark müßten aus Schenkungen oder Stiftungsmitteln fließen, um das Vorhaben abzusichern.

Vorentwürfe für die bauliche Gestalt des Hauses existieren bereits. Sie stammen vom holländischen Stararchitekten Rem Koolhaas, der auch den Auftrag für das Botschaftsgebäude erhielt. Koolhaas kann zwar beim besten Willen nicht als „anthroposophischer“ Architekt gelten, doch die Idee der gegenseitigen Inspiration scheint auch auf diesem Gebiet zu funktionieren. „Er beschäftigt sich jetzt mit dem Thema“, so Markus Vahlefeld, „und wir sind immer wieder überrascht davon, wie er es interpretiert.“

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