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Geplatztes Katholenkomplott

Der Prophet stürmte falsch: Werder verlor gegen Bayern mit 0:1  ■ Von Michael Augustin

Für das Seelenheil der Bremer Katholiken in der Diaspora ist der Bischof von Osnabrück zuständig: Er heißt Bode. Kardinal Frings ist und bleibt landesweit ein Begriff. Ein unfehlbarer Pole namens Wojtala rackert als Papst in Rom. Die Namensvettern dieser drei hoch- und ehrwürdigen Herren stehen in den Diensten des SV Werder Bremen, für den sie im Bunde mit einem Fußballgott aus dem Norwegischen allsabbatlich mit Feuer und Schwert gegen die Niederfahrt in die Zweitligahölle kämpfen.

Doch diesmal haben sie die Rechnung ohne den Propheten gemacht: Der steht auf der falschen Seit, heißt Giovanne Elber, hebt seinen Blick gen Himmel und sagt noch kurz vor dem Spiel: „In Bremen darf man nicht zu viel von uns erwarten, wir werden wohl knapp 1:0 gewinnen.“ Und siehe, der junge Mann aus dem Süden Amerikas schießt zwei Tore, von denen aber – weil die Prophezeihung ja auch zutreffen soll – das erste sogleich ungültig gemacht wird.

Den zweiten Treffer, nach einer Ecke des überaus müden, geradezu schläfrig wirkenden Effenberg erzielt Elber – als ihm Linkes von Eilts abgewehrter Kopfball vor den Schuh gerät und der gelinkte Ostfriese nebst Tormann nichts mehr ausrichten können. Ein durchaus verdienter Sieg der Besserverdiener über die verdienstreiche Bremer Elf, deren Arbeitsleistungskurve nach den Spielen versus Leverkusen und Rostock stetig nach oben steigt. Vor allem das, was die Herren in den ersten 35 Minuten anzubieten hatten, erfüllte die grünweißen Herzen im rappedicke vollen Rund mit Dankbarkeit: Todts redliche Beschattung Giovanne Elberes; Pawel „Kleiderschrank“ Wojtalas strumpfhosenhaft enge Bewachung des darob schier stichlosen Ali Daei und vor allem Andree Wiedeners lassen hoffen für die am nahen und fernen Horizonte dräuenden Aufgaben. Bode gar – und das bedarf keiner prophetischen Gabe – wird wohl schon bald wieder ins Nationaltrikot schlüpfen.

Vergessen werden darf nicht, daß Werder auf eine technisch brillante Bayernmannschaft gestoßen ist, für die sich alle Bundesligamitmacher erst noch eine angemessene Antwort stricken müssen. Das südtribünennotorische besserwisserische Gezeter der versammelten Heimtrainer jedenfalls war diesmal kaum zu hören. Keinem der Bremer Spieler wäre wohl mit Fug oder gar Recht individuelles Versagen vorzuwerfen. Bei der mittlerweile sattsam bekannten Hibbeligkeit im Verlaufe zweiter Halbzeiten dürfte es sich eher um ein kollektives Phänomen handeln (“Wir müssen lernen, den Ball zu halten“, sagt Sidka auf der dem Spiele folgenden Pressekonferenz. Und fügte in der ihm eigenen Art und Weise hinzu: „Der Ball war immer zu schnell weg, nich?“ War er, lieber Herr Trainer, und das wollen wir mal ganz, ganz schnell abstellen, nich?). In einem anderen Sinne den Ball zu halten, war nämlich fast gänzlich erfolgreich. Der Gute Tormann Rost rettete so seine Mannschaft mehrfach vor drastischen Rückständen.

Andreas Herzog, der in der letzten Viertelstunde in orthopädischem Schuhwerk mitspielen durfte, hatte indes keine rechte Chance mehr, seinen Traumpartner Maximov mit Geschenken zu bedenken. Denn für jenen kam nun der Fußballgott aus Norwegen, dessen Reich freilich mal wieder nicht von dieser Welt war. Ja, und schließlich, wie gesagt, war dann der Prophet an der Reihe, der in seinem eigenen Lande nichts gilt, aber hierzulande dafür sorgt, daß immer alles so kommt, wie befürchtet!

Michael Augustin ist Redakteur bei Radio Bremen 2 und Schriftsteller. Im Temmen-Verlag erscheint jetzt eine Neuausgabe seiner „Koslowski Geschichten“, die die taz vor zehn Jahren in Serie druckte.

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