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Die CDU in großer Spekulierlaune

Handlungsfähigkeit demonstrieren, lautet der Tagesbefehl, trotzdem geht es bei der CDU einen Tag nach der verlorenen Wahl vor allem um eines: Wer bekommt welchen Posten in der Ära nach Helmut Kohl?  ■ Aus Bonn Dieter Rulff

Bonn (taz) – Hauser? Was macht Hauser? Der vorläufig wohl letzte Shootingstar der CDU, der Regierungssprecher Otto Hauser, wird genauso schnell wieder in der Versenkung verschwinden, wie er in den letzten Monaten in den Zenit der Schlagzeilen aufstieg. Keinen Job mehr, das Mandat konnte er auch nicht halten.

Hausers Name ist einer von vielen auf der langen Liste der Gefallenen, die am Morgen nach der Wahl im Konrad-Adenauer-Haus erörtert werden. Zu ihnen gehört auch Rupert Scholz, der ehemalige Verteidigungsminister, denn auch er konnte seinen Wahlkreis nicht halten. Eppelmann hatte versäumt, rechtzeitig seine Kandidatur für ein Direktmandat anzumelden. Glück gehabt, meint da ein Witzbold mit Blick auf die Kommunalwahlergebnisse in Brandenburg, sonst hätte er wohl ein einstelliges Ergebnis eingefahren. Der Schock ist der Union in die Knochen gefahren, doch er zeigt zumindest bei der Parteispitze keine lähmende Wirkung.

Handlungsfähigkeit demonstrieren, so ungefähr dürfte der Tagesbefehl des Bundesverteidigungsministers Volker Rühe lauten, wenn er denn einen solchen an die Partei ausgeben dürfte. Ob er das je dürfen wird, das war eine der entscheidenden Fragen an diesem Morgen.

Daß die Antwort nicht leicht zu finden sein würde, ließ Rühe erahnen, als er in mürrischer Einsilbigkeit zur Präsidiumssitzung eilte. „Neuanfang, schnell, heute keine Personalentscheidung“, haspelte er. Wortfetzen, die sich, zu Sätzen ausformuliert, ungefähr so interpretieren lassen: Volker Rühe möchte neben Wolfgang Schäuble eine entscheidende Rolle spielen. Seine Position ist allerdings zu schwach, um schon auf der Vorstandssitzung ein Votum zu seinen Gunsten zu erhalten.

Deshalb spielt er auf Zeit. Ob die Chance in den kommenden Tagen stärker werden kann, daran hegen manche im Konrad-Adenauer-Haus jedoch Zweifel. Denn Rühe hat nur einen schwachen Landesverband hinter sich, zudem wird ihm immer noch nachgetragen, daß er im Wahlkampf mit öffentlicher Kritik an Hintze quergeschossen hat.

Heiner Geißler quittiert die Spekulationen mit einem klaren Votum für Schäuble. Der solle beide Spitzenpositionen – in Partei und Fraktion – einnehmen. Ähnlich äußert sich auch Helmut Kohl und noch eine Reihe weiterer Vorstandsmitglieder. Kohl sagte, daß er immer dafür gewesen sei, daß in der Opposition Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand liegen. Er halte weiter an Schäuble als Wunschnachfolger fest.

Entscheidend dürfte folglich allein sein, ob Wolfgang Schäuble auch will. Den Willen allerdings ließ Schäuble – wohl mit Rücksicht auf Rühe – auch gestern nicht erkennen. Die Entscheidung wurde auf kommende Woche vertagt. Jeder, der Schäuble favorisiert, wünscht natürlich gleichzeitig, daß Rühe weiterhin eine herausragende Rolle auf Bundesebene spielen möge.

Nur welche? So viele Posten hat die Partei nicht mehr zu vergeben. Generalsekretär unter Schäuble, das käme kaum für ihn in Frage. Nicht etwa, weil der amtierende Peter Hintze selbstbewußt davon ausgeht, daß er bis zum Jahr 2000 gewählt ist. Denn das ist zwar sachlich richtig, unbestritten ist aber auch, daß ein neuer Vorsitzender sich einen neuen Generalsekretär aussuchen kann.

Jedoch fällt der Name des niedersächsischen Landesvorsitzenden Christian Wulff wiederholt in diesem Zusammenhang. Das wäre ein Signal an die kommende Generation der Unionsführer, die bereits mit den Hufen scharren. Der Vorsitzende der Jungen Union, Klaus Escher, drängt in das Parteipräsidium. Und Zukunftsminister Jürgen Rüttgers werden Ambitionen auf den nordrhein-westfälischen Landesvorsitz nachgesagt.

Der saarländische Landesvorsitzende Peter Müller geht mit dem expliziten Wunsch in die Vorstandsitzung, daß nun ein Generationenwechsel in der Union organisiert werden müsse. Er warnt die Partei davor, das Ergebnis vom Sonntag als Betriebsunfall anzusehen. Der Union, sagt Müller schließlich, geht ihre gesellschaftliche Basis verloren. Geißler kommt zu dem gleichen Befund: Die CDU laufe Gefahr, ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren.

Diese Gefahr ist für jeden erkennbar, der auf die Entwicklung der konservativen Parteien in Europa schaut. Fast überall haben sie ihre hegemoniale Stellung im Bürgertum verloren. Paßt sich Deutschland nun mit Verspätung dieser Entwicklung an?

Die Dramatik der Lage wird schließlich dann deutlich, wenn man das Wahlergebnis der CDU isoliert, ohne das der CSU, betrachtet. Sie liegt unter dreißig Prozent, in den neuen Ländern schwindet sie zur dritten politischen Kraft. Es sind angesichts dieser Zahlen wenige, die so ein sonniges Gemüt wie der sächsische Landesvorsitzende Fritz Hähle haben. Der meint, man dürfe sich jetzt nicht verrückt machen lassen.

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