König als Bauernopfer

Nach den Dopingwirren in Italiens Fußball tritt NOK-Präsident Mario Pescante „zum Wohle des Sports“ zurück  ■ Aus Rom Werner Raith

Fast hatten Italiens Sportfunktionäre schon gedacht, das Schlimmste sei überstanden, die Aufmerksamkeit für Dopingsünden könnten über den herbstlichen Polit-Stürmen der Regierung und der außenpolitischen Wirren im Nachbarland Albanien in Vergessenheit geraten. Doch immer weitere Ermittlungen diverser Staatsanwaltschaften haben inzwischen nicht mehr nur „einzelne Verstöße gegen elementare Regeln der Dopingkontrolle ergeben“, so die Begründung der Ermittler in Turin für ihre Haussuchungsbefehle, „sondern ein wahrhaft ausgeklügeltes System zum Unterlaufen der gesetzlichen Vorgaben“ zum Vorschein gebracht. Erste Konsequenz: Mario Pescante (60), seit fünf Jahren Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Coni (in Italien Dachverband für sämtliche sportlichen Aktivitäten), ist am Montagabend nach hektischen Beratungen mit seinen Stellvertretern und den Vorsitzenden der einzelnen Sportsparten zurückgetreten. Damit hat erstmals ein in internationalen Sportorganisationen führendes Mitglied und Chef eines nationalen Sportverbandes wegen eines Dopingskandals seinen Posten verloren.

Zu rütteln an der Verantwortlichkeit Pescantes war am Ende kaum mehr. Kistenweise hatten die Ermittler Dokumente aus dem Sitz des Verbandes in Rom abtransportiert, und in nahezu jeder waren sie fündig geworden. So mußte bereits in den Vorwochen der Chef des Nationalen Sportmedizinerverbandes, Emilio Gasbarrone, gehen, zu dessen Lasten die Staatsanwälte Belege fanden, wonach etwa bei Fußballern die Dopingtests die reinste Farce waren: Im Urin wurde weder nach Anabolika noch nach Diuretika gesucht, obwohl dies die Hauptagenzien verbotener Mittel sind. Oft wurde der Urin einfach über Lackmuspapier getröpfelt, und wenn es sich nicht verfärbte, war alles okay.

Losgetreten hatte den Dopingskandal einer der Erstliga-Trainer, Zdenek Zeman vom AS Rom, der öffentlich über das „merkwürdige Muskelwachstum“ etwa bei den Nationalspielern Gianluca Vialli und Alessandro del Piero nachgedacht hatte. Der Sportmedizinerverband wurde jetzt unter Kommissariat gestellt.

Mario Pescante will seinen Schritt, natürlich, nicht als „Eingeständnis von Schuld“ verstanden wissen, sondern nur dem „Wohle des Sports“ dienen und dem Verband „eine Suche nach Wegen aus der Dopingkrise erleichtern“. Das wird nicht einfach werden – nach Ansicht der Ermittler stehe man erst „am Anfang der ganzen Enthüllungen“. Und so geht derzeit vor allem die Suche nach „sauberen“ Kandidaten für die Nachfolge Pescantes los – wobei nicht so ganz klar ist, ob man jemanden sucht, der den Saustall entschieden ausmisten will, oder einen, der ihn besser kaschiert als Pescante. Genannt werden der bisherige Stellvertreter Pescantes, Bruno Grandi, Delegierter des Leichtathletikverbandes, der Ex-Fußballweltmeister Gianni Rivera, derzeit Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und der Präsident von Inter Mailand, Massimo Moratti. Noch in dieser Woche soll eine Vorentscheidung fallen, wenn sich die Granden der einzelnen Verbände zu den Kandidaten äußern werden.