piwik no script img

Perus Polizei erobert den Präsidentenpalast zurück

■ Schwere Auseinandersetzungen in Lima zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften

Buenos Aires (taz) – Mit scharfer Munition schoß die Polizei am Mittwoch vor dem peruanischen Präsidentenpalast in Lima in die Luft. Rund 200 Demonstranten hatten zuvor den Regierungspalast gestürmt und waren gerade dabei, das Inventar in Sägemehl zu verwandeln. Erst nach einer Stunde gelang es den Sicherheitskräften, die Eindringlinge wieder aus dem Sitz von Präsident Alberto Fujimori zu vertreiben.

Angefangen hatte alles ganz friedlich. Rund 8.000 Demonstranten zogen am Mittwoch nachmittag durch Lima, um gegen den ultraliberalen Wirtschaftskurs der Regierung zu demonstrieren und ihr Unbehagen über Fujimoris Gelüste auf Wiederwahl im Jahr 2000 auszudrücken. Denn obwohl es die Verfassung verbietet, wird sich Fujimori dann ein drittes Mal zur Wahl als Präsident stellen. Die Generalkonföderation der Arbeiter (CGTP) hatte den Mittwoch zum nationalen Protesttag erklärt.

Zur Überraschung vieler war der Präsidentenpalast am nationalen Protesttag so gut wie gar nicht bewacht. Wo sonst mehrere Sicherheitsringe um den Sitz Fujimoris gezogen sind, konnten die Passanten problemlos hindurchspazieren. Die Polizei schaute dem Sturm auf den Präsidentenpalast zunächst nur zu und schritt erst sehr spät ein. Studentenorganisationen machen für die gewalttätigen Auseinandersetzungen eingeschleuste Sicherheitsbeamte verantwortlich.

Was sie von ihm und seiner Politik halten, das haben die Demonstranten Fujimori an die Wände seines Präsidentensitzes geschrieben: Die Palette der ans Haus gemalten Parolen reicht von „Scheiß Liberalismus“ bis „Nieder mit der Diktatur“. Einigen der zumeist jugendlichen Eindringlinge in den Präsidentenpalast gelang es, in den Schlafräumen der Ehrengarde des Präsidenten, der „Husaren von Junin“, die Schränke für die Uniformen zu öffnen, die sie dann als Trophäen mit nach Hause nahmen. Dabei gingen auch einige Instrumente der Militärkapelle mit. Bei anschließenden Straßenschlachten wurden insgesamt 20 Demonstranten festgenommen.

Kongreßpräsident Victor Joy Way von der Partei Fujimoris vermutet hingegen hinter dem Vandalismus einen gesteuerten Einsatz der Opposition. „Es handelt sich um eine konzertierte Aktion mit dem Ziel, das Land zu destabilisieren“, glaubt er zu wissen. Denn inmitten der Asienkrise und der komplizierten Friedensgespräche mit Ecuador stecke das Land ohnehin in einer schwierigen Lage.

Der Generalsekretär der organisierenden CGTP, Juan José Gorriti, gestand ein, „daß uns die Situation aus den Händen lief. Aber wenn die Regierung den Zorn des Volkes nicht interpretiert und weiterhin mit ihrer hochmütigen Art das Land beherrscht, wird es noch zu viel extremeren Dingen kommen, die sich niemand wünscht“, sagte er voraus.

Die Verantwortung für die Ausschreitungen läge „exklusiv bei dem autoritären Regime“, heißt es in einer Erklärung der CGTP. Die Gewerkschaft empfiehlt, sich Gedanken darüber zu machen, warum im ganzen Land die Leute „immer unzufriedener werden“. Denn die Ausschreitungen seien das Ergebnis der Ablehnung gegen die Regierung, die versuchen würde, mit einer „gemogelten Wiederwahl an der Macht zu bleiben“, so Gewerkschaftschef Gorritti. Erst vor einem Monat lehnte der von Fujimoris Mitstreitern kontrollierte Kongreß ein Referendum zur umstrittenen Wiederwahl Fujimoris ab. Damit ist der Weg für Fujimori geebnet, im Jahr 2000 zum dritten Mal zur Wahl antreten, obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten für einen Präsidenten vorsieht. Sein Trick: Als er zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, galt diese Verfassung noch nicht – die alte hat er im Jahr 1992 weggeputscht, als er das Parlament nach Hause schickte und sämtliche staatlichen Organe entmachtete. Auf Druck aus dem Ausland mußte Fujimori die Demokratie in Peru wiederherstellen und eine neue Verfassung verabschieden. Ingo Malcher

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen