piwik no script img

Trocknen im Dunkeln

Die unentbehrliche Sonnenterrasse im Alsterschwimmbad ist keine mehr. Es trauert  ■ Ulrike Winkelmann

Sie haben die Lichter in der Alsterschwimmhalle ausgemacht. „Weil das zu teuer war“, wie das Trüppchen leicht aufgeschwemmter Bademeister behauptet, das es sich am Beckenrand gutgehen läßt. „Da saßen doch immer nur ein paar Männeken.“ Also haben die Herren der Alsterschwimmhalle, Hamburgs einziges Hallenbad mit mondänem Anspruch und 50-Meter-Bahn, die Wärmeleuchten auf der Empore überm Becken ausgeschaltet.

Nicht bedacht haben die Badbetreiber, daß einige ihrer treuesten KundInnen nach tausend bis zweitausend Metern Kraul und Brust auf dem Balkon, wegen seines Kunstrasens mit Fußschweißgeruch auch „Wiese“ genannt, zu sitzen und die Ereignisse der Woche zu beplaudern pflegten. Wir zum Beispiel, meine Familie, meine WG und ich.

Die Empore mit den Lichtern – nur Außenseiter hielten sie für Bräunungsleuchten und suchten nach zehn Minuten unter ihrem Badehosensaum nach weißen Streifen – war die Agora unserer kleinen Schwimmrepublik. Dort wurde, während Body-Lotion Zeit hatte einzuziehen und Haare ohne Föhn-Spliß trocknen durften, gewälzt, was bewegte, ob es draußen regnete, die Sonne schien oder schneite.

Und bei alldem hielten uns die Wärmelampen ebenso auf Trab wie sie unser Lichtorgan befriedigten, denn es wurden im Wechsel immer nur die Lampen rechts und dann die andere Hälfte links angemacht, so daß wir alle fünf Minuten dem Licht folgten wie Pantoffeltierchen. Dadurch geriet auch der Rest der Wiesengemeinde in Betrieb, man erhielt wechselnde Aussichten auf Körper, und viele peinliche Gespräche waren nach der notwendigen Sonnenstuhl-Umgruppierung zu belauschen. Wenn PolitikerInnen wüßten, wie nahe sich die Menschen dort kommen, fände jeder Wahlkampf in Schwimmbädern statt.

Die Wärmelampen entschädigten uns für die gesamte Bäderland-Preispolitik (oder wo schwimmt sich's teurer), inklusive Umstellung auf Nur-noch-1,5-Stunden-fürs-selbe-Geld. Von der Empore verfolgten wir die Begrünung der Halle mit Blechpalmen, deren messerscharfe Blätter ganze Oberarme aufzuschlitzen in der Lage waren, und auch ihren Abbau, und die Kassen-Frauen nickten mit den Köpfen, wenn wir uns über die wechselnden Zahlungs- und Kontrollsysteme mit großen Maschinen, Plastikchips und Papierkarten lustigmachten.

Wir dachten, sie mögen uns. Und jetzt das: ein schwermütiges Wenigstens-die-Ohren-Trockenpusten bei den Föhns. Die Schwimmbrillenränder noch blau unter den Augen, keine Lust auf Kneipenmuff. Heimatlos, sprachlos. Und die Bäderland-Pressestelle? Verspricht uns eine Tischtennisplatte, Kindergeburtstage und Trockengymnastikstündchen auf der „Wiese“. Aber „die Leuchten, nein, werden nicht ersetzt. Da oben ist doch eh' nicht viel passiert.“

Adieu, Alsterschwimmhalle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen