: Wie bei Schröder und Lafontaine
■ SPD-Spitze stößt mit Plan, den Spitzenkandidaten für 1999 per Urwahl zu bestimmen, auf Ablehnung. Kreisverbände befürchten Reibungsverluste und hoffen auf einvernehmliche Lösung. Heute abend soll der Landes
Ob Klaus Böger, Walter Momper oder Peter Strieder – wer die SPD in den kommenden Berliner Wahlkampf führen wird, ist noch immer offen. Umstritten ist jetzt aber auch wieder die Methode, den Spitzenkandidaten zu bestimmen. In den Kreisverbänden der SPD sammelt sich Widerstand gegen den Plan der Parteispitze, eine Urwahl im kommenden März durchzuführen.
Reinickendorf, der größte Kreisverband und Unterstützer für Fraktionschef Klaus Böger, hat bereits per Kreisdelegiertenabstimmung gegen eine Urwahl votiert. In Tempelhof bestätigte der geschäftsführende Kreisvorstand am Montag abend ein ablehnendes Votum zur Urwahl.
Auch aus dem zweitgrößten Kreisverband Neukölln, der ebenfalls als konservativ und damit Böger zugeneigt gilt, kommen skeptische Signale gegen die Urwahl. Ebenso wie aus mehreren weiteren Kreisen. „Die Stimmung in den Kreisen ist deutlich gegen eine Urwahl“, so gestern der Wilmersdorfer Vorsitzende Christian Gaebler. „Viele finden, es sollte wie in Bonn mit Schröder und Lafontaine passieren: Die möglichen Kandidaten gehen in sich und arbeiten untereinander die beste Lösung aus“.
Der Charlottenburger Vorsitzende Rudolf Kujath äußerte „große Skepsis, ob das der richtige Weg ist“. Binde eine solche Urwahl doch „viel Zeit und Kraft“. Und der Köpenicker Vorsitzende Udo Weinert gibt zu bedenken, daß bei der Urwahl „viele Menschen ihre Meinung sagen, die nicht auf Taktik achten“. Wenn es aber eine Urwahl gebe, dann früher als im kommenden März, fordert Weinert, „damit der Auserkorene seine ganze Kraft auf den Wahlkampf konzentrieren kann statt auf innerparteiliche Auseinandersetzungen“.
Heute abend tagt der SPD-Landesvorstand. Auf der Tagesordnung: der Urwahl-Beschluß. Doch bis gestern abend schien eine Mehrheit für die Urwahl zumindest unsicher. Dreiviertel des dann erweiterten Landesvorstandes müßten am heutigen Abend dem Plan zustimmen. Daneben gibt es noch einen weiteren Weg: Stellen sieben Kreisverbände oder 10 Prozent der Mitglieder einen Antrag auf Urwahl, muß diese ebenfalls durchgeführt werden.
Um sich einen Eindruck von der Stimmungslage zu verschaffen, hatte der Landesvorsitzende Detlef Dzembritzki die Kreisvorsitzenden gestern abend zu einem letzten Gespräch zum Thema Urwahl geladen. Vor allem die Chancen des unter Parteifunktionären eher unbeliebten Walter Momper dürften ohne Urwahl sinken. Barbara Junge
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