: Die NBA sägt weiter am eigenen Ast
American Pie: Statt im Trainingscamp zu schwitzen, bleiben die Basketballer der NBA ausgesperrt ■ Von Matti Lieske
Oh, and as I watched him on the stage
Kleine Preisfrage: Was macht eigentlich die NBA? Antwort: Nichts! Und es sieht nicht so aus, als ob sich das allzubald ändern wird. Gestern sollte eigentlich das Training der Basketballteams beginnen, statt dessen wurden sämtliche Vorbereitungsspiele abgesagt, und fast 150 Spieler sind noch ohne Vertrag, darunter Leute wie Michael Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman, die Champions von den Chicago Bulls.
Wenn sie schon nicht spielen dürfen, wollen sich diverse Stars der eloquenteren Sorte wie Patrick Ewing, Dikembe Mutombo, Juwan Howard, Tim Hardaway, Ray Allen, Antonio Davis oder Buck Williams, Ewings Vorgänger als Präsident der Spielergewerkschaft, in verschiedenen NBA-Arenen einfinden, um ihre Sache zu vertreten. „Ich höre dauernd, wir streiken“, sagt Davis und stellt klar: „Wir streiken nicht.“
In der Tat waren es nicht die Spieler, die den Arbeitskampf vom Zaun brachen, sondern die Klubbesitzer, welche die Profis am 1.Juli aussperrten. Im Verein mit NBA-Commissioner David Stern hatten sie schon 1995 versucht, eine „harte“ Lohnbegrenzung (salary cap) für ihre körbefüllenden Angestellten einzuführen, schließlich aber gegen beträchtliche Konzessionen der Spieler darauf verzichtet. Die Folge waren horrende Millionenverträge für die Superstars, während immer mehr Profis für den Mindestlohn von 272.250 Dollar spielen mußten. Das Steigen des Gehaltsanteils am „basketballbezogenen Einkommen“ auf 57 Prozent gab den Besitzern das Recht, den kollektiven Arbeitsvertrag vorzeitig zu kündigen, und nun sind sie fest entschlossen, die harte salary cap endlich durchzusetzen und den Anteil der Spieler am Einkommen langfristig wieder auf unter 50 Prozent zu drücken. Ebenso entschlossen ist die Gewerkschaft, auf keinen Fall eine Schmälerung des Anteils der Basketballprofis am fetten NBA-Kuchen hinzunehmen.
So gab es in den letzten Monaten kaum ernsthafte Verhandlungen, sondern bloß leicht modifizierte Angebote beider Seiten, die immer noch himmelweit auseinanderlagen. Zentraler Streitpunkt ist die sogenannte Larry-Bird-Ausnahme, die es den Klubs erlaubt, eigene Spieler, deren Verträge auslaufen, weiterzuverpflichten, ohne daß deren Gehalt unter die salary cap fällt. Auf diese Weise konnten die Chicago Bulls Michael Jordan letzte Saison 33,14 Millionen Dollar zahlen, obwohl die gesamte Lohnsumme der Bulls eigentlich nur 26,9 Millionen Dollar betragen durfte. Fällt die Klausel und wird gleichzeitig, wie beabsichtigt, der Mindestlohn für Veteranen kräftig erhöht, müßten die Stars der Teams deftige Einbußen hinnehmen. Schadet ihnen nichts, den frechen Burschen mit dem vielen Goldgehänge, den dicken Autos und den zahlreichen unehelichen Kindern, sagen viele. Auf der anderen Seite ist kaum einzusehen, warum die Klubbesitzer die ganze Beute in der (noch) boomenden Liga einsacken sollen, und diejenigen zurückstecken, welche die Show liefern. Selbige hat der NBA kürzlich immerhin einen neuen Fernsehvertrag über 2,6 Milliarden Dollar für vier Jahre beschert.
Morgen wird wieder verhandelt, doch an baldige Einigung glaubt niemand. Selbst wenn diese sensationellerweise erfolgen sollte, kann die Saison kaum pünktlich am 3. November beginnen, da ja noch jede Menge Vertragsverhandlungen zu führen sind und ein bißchen Training auch nicht schaden kann. Viel wahrscheinlicher ist aber, daß sich die Sache hinziehen wird. „Vermutlich verlieren wir mindestens zwei Monate“, zeigt sich Billy Hunter, Verhandlungsführer der Spielergewerkschaft, eher pessimistisch. Sollte der Arbeitskampf bis in das nächste Jahr dauern, wird es überhaupt keine Saison geben, verlautet aus Kreisen der Klubbesitzer.
Das wäre eine fatale Sache für David Stern und seine Liga, denn die Leute könnten sich an ein Leben ohne NBA gewöhnen. Im Baseball machte erst die Homerunjagd von Mark McGwire und Sammy Sosa in diesem Jahr den Imageschaden wett, den die Liga durch den Arbeitskampf 1994 erlitten hatte. Die NBA stünde zudem vor dem Dilemma, die Aufgabe der Sympathierückgewinnung ohne Michael Jordan in Angriff nehmen zu müssen. Ob der 35jährige noch eine Saison dranhängen will, mag er immer noch nicht sagen. Eines scheint jedoch gewiß: Ein langwieriger Arbeitskampf würde sicher dafür sorgen, daß der geniale „championship shot“ am 14. Juni in Spiel sechs der Finalserie gegen Utah Jazz der letzte Wurf einer phantastischen Karriere gewesen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen