: Betr.: "Die Gunnar-Lennefsen-Expedition"
Die „Die Gunnar-Lennefsen-Expedition“ (Kiepenheuer & Witsch, 416 Seiten, 42 DM) ist der erste Roman der 1958 in Gotha geborenen Kathrin Schmidt, die bisher vor allem als Lyrikerin hervorgetreten ist. Das Titelbild zeigt eine fleischige Rubens-Dame, und der Klappentext verspricht eine „reiche, kraftvolle und poetische Sprache, überbordende Körperlichkeit und Erotik, groteske Komik und unerschöpfliche Phantasie“. Ausnahmsweise darf man das sogar glauben. „Die Gunnar-Lennefsen-Expedition“ ist ein eigenwilliger, altmodischer und doch hochmoderner Roman, der irgendwo zwischen Irmtraud Morgner und dem frühen Günter Grass anzusiedeln ist und zusammenbringt, was vor 1989 nicht zusammengehören konnte: Ostpreußen und die DDR.
Der Roman umfaßt das 20. Jahrhundert als weitverzweigte Familiensaga, wo milchstrotzende Frauen die Hosen anhaben. Zugleich zeichnet Kathrin Schmidt ein Portrait des DDR-Alltags in der thüringischen Provinz. Dort lebt die Druckerin Josepha Schlupfburg zusammen mit ihrer Urgroßmutter Therese, und weil Josepha schwanger und für ihr Kind auf der Suche nach familiärer Tradition ist, begeben sich die Frauen auf eine phantastische Expedition. Auf einer imaginären Leinwand in ihrer Wohnung erscheint die Geschichte der Vorfahren als Geschichte der Vertreibung aus Ostpreußen, als eine Reihe von Sturz- und Spätgeburten, derben Liebesabenteuern und Begegnungen mit kränkelnden Männern. Am Ende aber steht eine doppelte Befreiung im Luftschiff: die Befreiung der Frauen und der Abschied von der DDR. Jörg Magenau
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