: Hausbesetzen lohnt sich doch
Mieter wehrten sich gegen Abrißpläne der Saga: Nach nur zwei Stunden waren Haussanierung und Wohnprojekt gesichert ■ Von Gernot Knödler
Der Schock für die BewohnerInnen war gewaltig: Statt wie erwartet über die Mietverträge für ein Wohnprojekt in der Vereinsstraße 28 am Rande des Schanzenviertels zu verhandeln, präsentierte der städtische Wohnungskonzern Saga gestern vormittag das Ansinnen, das Gebäude abzureißen – und das Nachbarhaus gleich dazu. Die MieterInnen reagierten spontan: Gegen elf Uhr erklärten sie die acht leerstehenden der insgesamt 19 Wohnungen für besetzt, hängten Transparente aus den Fenstern und informierten die Medien.
Zwei Stunden später schon war der Spuk vorbei: In atemberaubender Geschwindigkeit zauberten Politik und Verwaltung eine Lösung aus dem Hut; die von der Saga zwecks Räumung alarmierte Polizei zog friedlich wieder ab.
Seit Juni hatten MieterInnen, Saga und die ebenfalls städtische Lawaetz-Stiftung über ein Wohnprojekt und die Sanierung des Hauses verhandelt. Die Verhandlungen seien aber „nicht vorangekommen“, so Willi Hoppenstedt vom Vorstand des größten städtischen Wohnungsunternehmens.
Da Abriß und Neubau ohnehin billiger seien als eine Sanierung, habe man dies gestern vormittag vorgeschlagen. Natürlich, so Hoppenstedt, sollten die jetzigen MieterInnen „an der Planung beteiligt“ werden. Die aber lehnten ab, denn während des Neubaus hätten sie, so Projektentwickler Gerhard Förster von der Lawaetz-Stiftung, über die ganze Stadt verstreut wohnen müssen, was die Gruppe vermutlich gesprengt hätte.
Sich selbst um eine Sanierungslösung zu kümmern, dazu hatte die Saga nach Angaben Hoppenstedts keine Veranlassung gesehen: Eine Finanzierung mit Hilfe von Fördergeld zu finden, wäre Aufgabe der BewohnerInnen gewesen.
Manfred Getzmann, der Anwalt der BewohnerInnen, und Projektentwickler Förster sorgten vor Ort dafür, daß die Situation nicht eskalierte und die Besetzung ohne polizeiliche Räumung beendet wurde. Sie erreichten bei den BewohnerInnen, daß die Saga ihre leerstehenden Wohnungen nachmittags um 3 Uhr wieder in Besitz nehmen durfte.
Bis dahin hatten Susanne Uhl, die wohnungspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, und Staatsrätin Barbara Maier-Reimer (SPD) aus der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) in Rekordzeit ein Fördermodell für eine Sanierung mit Gruppenwohnprojekt gebastelt. Das Geld dafür, Gerhard Förster sprach von bis zu 1,9 Millionen Mark, soll von der Wohnungsbaukreditanstalt, der Steb und möglicherweise aus dem Etat für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) kommen.
Voraussetzung dafür, daß dieses Modell funktioniere, mahnte Uhl Hoppenstedt, sei, daß sich „die Saga Selbstverwaltungsstrukturen gegenüber aufgeschlossen“ zeige.
Nächste Woche soll über weitere Details erneut verhandelt werden. „Die Politik hat innerhalb von zwei Stunden funktioniert“, freute sich Rechtsanwalt Getzmann.
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