■ Die sechs Phasen werbeunterstützter weiblicher Selbstfindung
: Die Welt ist schön, denn du bist schön

In den Fernsehspots der 50er Jahre blieb nur selten die Küche kalt: Besorgte Hausmütterchen werkten den lieben langen Tag am heimischen Herd, nur damit sich Männe nach getaner Arbeit im Kreise der Familie wohl fühlte und nicht auf dumme Gedanken kam.

Mit der veränderten Stellung der Frau in der Gesellschaft hat sich auch das Bild der Frau in der Werbung völlig gewandelt: Kinder backen Frühstückshörnchen, Opas kochen 5-Minuten-Terrinen, und die Ehemänner fragen sich beim Abspülen, ob das Geschirr wohl auch dem kritischen Blick der Hausherrin genügt, während ihre Frauen mit Geschirrspülmittel nur noch in Tilly's Manikürstudio in Berührung kommen. Was aber gibt diesen karrierebewßten Wesen jene geradezu beängstigende Selbstsicherheit?

Werbepsychologen des renommierten Marktforschungsinstitutes Litfas in Remagen untersuchten in einer großangelegten Studie die Wirkung der Werbung auf die weibliche Psyche und kamen zu dem provokativen Schluß, daß Werbung den Entwicklungsprozeß der Frau beträchtlich zu beeinflussen vermag. Die Werbeforscher unterscheiden dabei insgesamt sechs Phasen werbeunterstützter weiblicher Selbstfindung.

In der Windel-Phase werden die ersten Weichen gestellt. Kommen konventionelle Windeln zur Anwendung, ist späteres Unterordnungsverhalten der Frau eindeutig nachweisbar. Anders bei Verwendung von Ultra Luvs: Die haben den Auslaufschutz dort, wo es am meisten naß wird – für Jungs vorn, für Mädchen in der Mitte. Und der Ersatzflüssigkeits-Test beweist: Die geschlechtsspezifische Produktdifferenzierung unterstützt die frühkindliche Identitätssuche und wirkt positiv im Sinne einer emanzipatorischen Rollenfindung.

Die Lenor-Phase: Durch übermäßiges Tragen von lenorgepflegten, schäfchenweichen Wollsachen wird die weibliche Neugier statt auf den kleinen Unterschied auf den zwanghaften Wäschevergleich umgelenkt. Im Jungmädchenalter auftretende Klagen wie „Mein Sweatshirt ist so weit und lappig, und deines ist so frisch und tadellos in Form“ belegen eindeutig die Hinwendung zu rein weiblichen Problemkomplexen.

Die Vim-Phase: Der früher stark ausgeprägte Scheuerzwang verheirateter Frauen hat sich in den letzten Jahren zurückgebildet und tritt nur noch vereinzelt auf. Spätestens wenn die Sekretärin des Mannes die Frage stellt: „Eine moderne Frau wie Sie wischt noch mit Pulver?“ läßt frau den Lappen fallen und fordert beim Abendessen von ihrem Mann vehement die Einstellung einer Putzfrau.

Die Jade-Phase markiert die selbstbewußt-optimistische Grundhaltung der Frau von heute. Ihr Credo: „Die Welt ist schön, schön mit Jade. Ich verlass' mich voll auf Jade.“ Männliche Annährungsversuche wie „Sind Sie die Frau mit der jungen Haut?“ werden mit glockenhellem Lachen quittiert. Offenbar bewegt sie sich längst im pH-neutralen Bereich.

Die Langnese-Phase ist gekennzeichnet durch die anbrechende Eiszeit im Geschlechterkampf. Wurde Hinternzwicken im Biergarten in früheren Langnese-Spots von den betroffenen Frauen mit Pfeifenversenken im Maßkrug beantwortet, ließen sie später ihrem männlichen Mitjogger ohne ersichtlichen Grund das Eis in die Hose plumpsen. Heute werden die Prioritäten radikal anders gesetzt: Ich und mein Magnum markiert die Loslösung vom Mann – ein deutliches Vorzeichen der...

...Kim-Phase: Hier hat sich die offensive Hinwendung zum eigenen Geschlecht unwiderruflich vollzogen. Das Verlangen nach Kim – einer schlanken Blonden – wird zur Obsession. „Ich will mehr, ich will Kim“ hauchen unersättliche Frauen, die für die Männerwelt wohl endgültig verloren sind. Rüdiger Kind