: Die Bestie Mann
■ Die Einfache Bühne Hamburg spielt „Der Lauf der Sonne in den gemäßigten Zonen“
Die Familie ist für Martha ein Gral: unantastbar und unerreichbar. „Ich habe einen Vater, eine Schwester und eine Tochter“, betont sie verzweifelt, weil ihr das angeblich Wichtigste fehlt – ein Ehemann. 20 Jahre lang pflügt das Landei die Großstädte Südamerikas durch und sucht einen Vater für ihre kleine Clara. Vergeblich, denn die Männerwelt, auf die sie trifft, ist ein Windmühlenpark.
Mit dem Stück Der Lauf der Sonne in den gemäßigten Zonen meldet sich die Einfache Bühne Hamburg zurück. Das russische Theater mußte im vergangenen Jahr das eigene Haus im Schanzenviertel aufgeben. Nun ging es eine Kooperation mit dem Monsun ein, und künftig werden die Produktionen des Teams um Regisseur Jewgeni Mestetschkin an der Friedensallee gespielt. Nach einer Novelle des Brasilianers Moacyr Scliar entstand eine Parabel über Bigotterie – leise, poetisch, mit einigen Längen, aber auch vielen intensiven Momenten. Stephan Fischer zeigt ein vielköpfiges Bestiarium männlicher Antihelden. Ob Arzt, Revolutionär oder perverser Greis – Marthas Ehekandidaten sind allesamt Nieten. An Entschuldigungen fehlt es ihnen nicht, doch die sind so durchsichtig, wie die Suche des Mädchens aussichtslos ist. Dem Zusammenspiel Fischers mit Christiane Hauch ist es zu verdanken, daß Marthas Taumeln durch die Betten dennoch nicht langweilt, sondern immer wieder von neuem fesselt und manchmal gar zum Lachen reizt. Unterstützt wird das Paar von Judith Viola Hoffmann, die manchmal zu plakativ auftritt, als Putzfrau oder Wahrsagerin aber auch komisch sein kann.
Die Inszenierung setzt auf Schlichtheit: Eine leere, schwarze, laufstegartige Bühne steht in der Mitte des Raumes, an beiden Seiten hängen Bettlaken als Projektionsflächen für Schattenspiele. Die Szenen werden von kurzen Kommentaren unterbrochen; die Komprimierung von 20 Jahren auf 90 Minuten gelingt so mit Eleganz. Weniger glücklich ist die Idee, durch traumartige Passagen auch noch Marthas japanisches Märchenbuch lebendig werden zu lassen. Ganz so ins Zeit- und Ortlose ist das Thema nämlich nicht zu übertragen: Die krassen Normen der südamerikanischen Machogesellschaft sind Wirklichkeit und werden auch als solche in dem Stück deutlich genug definiert.
Trotz des störenden fernöstlichen Geklingels ist Der Lauf der Sonne in den gemäßigten Zonen ein witziges und lehrreiches Stück. Die Lehre lautet: Heiraten ist Quatsch.
Barbora Paluskova
nächste Vorstellungen: 16., 17. und 18. Oktober, 20 Uhr, Monsun
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