piwik no script img

Der Stein, der am wenigsten rollt

■ Der Ex-Bassist der Stones, Bill Wyman, spielte mit seinen Rhythm Kings im Pier 2

Es war wie ein Nachschlag zum Konzert der Rolling Stones vor ein paar Wochen. Aber allzuviele wollten offenschichtlich nicht hören, was der „verlorene“ Stone Bill Wyman heute mit seiner eigenen Band „The Rhythm Kings“ für Musik machte. 700 bis 800 ZuhörerInnen ließen das Pier 2 gerade mal nicht leer aussehen, aber Wyman muß ja auch längst keine Hallen mehr füllen. Mit dieser Band braucht er nichts zu gewinnen und kann kaum etwas verlieren, sie ist eher sein Hobby, genauso wie bei Charles Watts, der sich eine schöne kleine Jazz-Bigband leistet, mit der er in kleinen Clubs spielt. Jetzt macht auch Wyman mit ein paar Freunden die Musik, die er immer schon mal spielen wollte: eher traditionell angehauchten Blues und Rock'n'Roll. All die Einflüsse, aus denen die Stones einst ihren Stil gezimmert hatten und die Wyman jetzt möglichst pur und mit einer fast rührenden Unschuld mit seinen Mitspielern nachempfindet.

Der Witz dabei ist, daß Wyman selbst auf der Bühne am unauffälligsten war und alles ander als ein Bandleader ist. Seine beiden Frontmen, die Veteranen, Sänger und Keyboarder Georgie Fame und Gary Brooker (Procul Harum) wechselten sich jeweils nach zwei oder drei Songs mit den Ansagen und „der Regie“ der Band ab, und nach diesen Wechseln spielte auch die Band jeweils in einem anderen Gang: Bei Fame eher feinsinnig, bluesiger, bei Brooker mit viel Temperament und Rock. Es war fast, als würden sich die Fame- und Brooker-Bands jeweils nach Minisets abwechseln. Zu all dem zupfte Wyman ruhig seinen Baß, lächelte und verzog sonst kaum eine Miene. Es gibt die schöne Anekdote von den ersten Proben der Stones nach dem Weggang von Wyman, der von Daryl Jones ersetzt wurde. Keith Richards war zuerst äußerst irritiert: „Irgendetwas war ganz anders, und dann merkte ich, daß der Bassist sich bewegte. Das hat Bill in all den Jahren nie getan.“ Nun, er wiegt jetzt hin und wieder mal verschämt die Schultern und die Hüften, aber Wyman bleibt der Stein, der am wenigsten rollt.

Mit solch einem „ruhenden“ und zwei inoffiziellen Bandleadern hatten es die „Rhythm Kings“ zwangsläufig schwer, sich dem Publikum als Einheit zu vermitteln. Wirklich mitreißend war die Musik nur in wenigen Momenten, meist wurde handwerklich solide, aber eben auch recht biedere Rockmusik geboten. Wie bei den meisten All-Stars-Besetzungen war auch hier die Summe weniger als die einzelnen Bestandteile. Fame und Brooker sind alte Hasen, die einfach nicht Zeit genug bekamen, um mit einer Reihe von Songs die Musik abheben zu lassen. Albert Lee und Mark Taylor spielten einige brilliante Gitarrensoli, aber auch diese wirkten wie schöne Einzelteile, die nicht wirklich mitrissen. Zwei Saxophonisten und zwei Backgroundvokalistinnen machten den Sound fetter, aber kaum packender. Am meisten Wirkung erzielte die Band noch, wenn sie mit dem simplen Wiedererkennungseffekt von Klassikern arbeitete. So ging einem über die gespielte Musik hinweg auch der Mythos des Pop direkt ans Gemüt. Den Mythos der „Rolling Stones“ hat Wyman dagegen mit dieser Band gründlich auseinandergenommen. Wilfried Hippen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen