: KünstlerInnen im irrsinnigen Vergleich
■ Das KUBO-Ostertor hat zum Thema „WahnSinn heute“ Preise vergeben und stellt Wahnsinns-Fotos aus
Auch der Wahnsinn gehorcht Regeln – zumindest beim Kunstpreis des Kultur- und Bildungsvereins (KUBO) im Bremer Ostertor. Für die Literatur hieß diese Regel: Maximal sechs Seiten, teilnehmen können ausschließlich Autorinnen. Und für die Bildende Kunst gab es die Vorgabe: Ausschließlich Fotos, Abzüge passend für eine feste Rahmengröße. Trotz des Themas „WahnSinn heute“ und trotz der Kunstleuten noch immer nachgesagten Aufmüpfigkeit haben sich 82 Autorinnen und 115 KünstlerInnen am diesjährigen KUBO-Kunstpreis beteiligt und an die Regeln gehalten. So wird der WahnSinn vergleichbar, wie noch bis Sonntag im KUBO (Beim Paulskloster 12) zu sehen sowie in einem Buch zum Thema zu erblättern und nachzulesen ist.
Der soeben mit Videokunst-Förderpreis ausgezeichneten Silke Thoss hängt die (riesige) Zunge zum Hals heraus. Für den Bremer Kunstpädagogen Eckardt Kreye beginnt der WahnSinn, wenn ein geschlipster Mann zur Motorsäge greift. Und Sabine Wewer fand ihren WahnSinns-Beitrag einige Meilen entfernt von New York, wo ein Jäger gefangene und übel zugerichtete Coyoten vor seinem Haus aufgehängt hatte.
Von der Inszenierung über den Schnappschuß zum Video-Still bis hin zum New Concept britischer Vorbilder reicht das Spektrum. Neben den drei Genannten haben noch York Christoph Riccius und Frank Riepe für ihre Einreichung einen der mit je 1.000 Mark dotierten Preise gewonnen. Und auch wenn Andreas Bohnhoff, dessen Foto „Gentechnik I“ zu den insgesamt 32 ausgestellten Arbeiten zählt, an einem schlecht gelaunten Tag sagt, viele seien bloß Plagiate, ist das KUBO-Konzept aufgegangen: Hinter den 32 Arbeiten verbergen sich bestimmt 20 verschiedene Ansätze, den alltäglichen Wahnsinn aufs Fotopapier zu bringen.
Im Gegensatz zu den bildenden KünstlerInnen sind unter den Autorinnen des parallel ausgeschriebenen und ebenfalls mit 5.000 Mark dotierten Preises für Literatur einige, die sich zum ersten FMal an die Öffentlichkeit wagen. Eine von ihnen ist Sonja Schnakenberg. Die im Brotberuf als Erzieherin tätige junge Autorin hat für ihr Text-Staccato aus äußeren Ansprüchen, Reklamefetzen und Sprichworten (vor Birgit Stobbe und nach Nikola Richter) den zweiten Preis bekommen. Gefragt, was die KUBO-Ausschreibung für sie bedeute, sagt sie: „Ich habe schon immer geschrieben, aber ich bin jetzt 30, und deshalb mußte ich mal raus damit.“ Auch dadurch erfüllen Preise wie der eines Vereins im Ostertor ihre Daseinsberechtigung. ck
KUBO-Kunstpreis: Ausstellung noch bis Sonntag, 18. Oktober; Lesung am 18. November um 20 Uhr im Atelier im Volkshaus; das Katalogbuch „WahnSinn heute“ mit den 32 ausgewählten Fotos und neun Texten ist erschienen im Kellner-Verlag und im Buchhandel für 29,80 erhältlich.
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