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Willkommen in der Messehalle H Von Susanne Fischer

Mein diesjähriger Ausflug zur Buchmesse endete im Grunde schon in Hannover-Langenhagen, auch wenn es dann doch noch ein bißchen weiterging. Frohgemut war ich eine Viertelstunde zuvor in jenen Zug eingestiegen, der in Langenhagen eigentlich durchaus nicht halten sollte. „Wir haben einen Schaden im Stellwerk“, verkündete der Lautsprecher. Ich bin sicher, daß ich nicht schuld war. Ich habe meines Wissens noch nie ein Stellwerk kaputt gemacht, auch nicht das Stellwerk Hannover. Manchmal zerstört man ja Dinge, ohne es zu bemerken, indem man sich beispielswiese ahnungslos uf einen Zylinder setzt, den der Zylinderbesitzer leichtfertig in einem Ohrensessel hat liegenlassen. „Ha! Hu! Wo ist mein Hut?“ ruft der Geschädigte Stunden später, so daß man ahnt, was die ganze Zeit so kreisrund in den Hintern drückte. Dann muß man auf der langweiligen Party noch ewig den Ohrensessel hüten, bis selbst der Gastgeber weggegangen ist, nur damit niemand etwas bemerkt. Auf keinen Fall hatte ich mich aber auf das Stellwerk Hannover gesetzt, das wäre mir bestimmt aufgefallen. Trotzdem mußte ich den Schaden ausbaden.

Kaum eine Stunde später hatten wir es bis Hannover-Hauptbahnhof geschafft, wo alle wichtigen Züge natürlich längst abgefahren waren. Viele Leute warteten auf den nächsten wichtigen Zug, so auch ich. Pünktlich auf dessen Ankunftssekunde verkündete der Sadist vom Dienst, dieser wichtige Zug würde heute umgeleitet und sei in Hannover nicht einmal von fern zu sehen. Und jetzt viel Spaß noch in den anderen, unwichtigen, überfüllten und verspäteten Zügen. Steigen Sie einfach mit dem Brecheisen ein, meine Damen und Herren, vielleicht schaffen Sie es ja bis Göttingen.

Da wußte ich, daß die Buchmesse dieses Jahr in Hannover stattfindet. In der Bahnhofshalle war zwar wegen Bauarbeiten gar nichts los, aber draußen boten jede Menge Stände Sondereditionen von Fischbrötchen und Knacker einfach. Mit Senf signierte Hot Dogs wurden beinahe umsonst abgegeben, während viele Messegäste sich mit der Interpretation der Brezel beschäftigten oder die hübsch illustrierten Käsebrote bewunderten. Es waren natürlich keine wichtigen Leute außer mir anwesend, aber dafür war die Luft auch viel besser als in Frankfurt, der Eintritt entfiel ebenfalls. Warum soll man überhaupt nach Frankfurt fahren, um lauter Leute zu sehen, die womöglich noch eitler sind als man selbst? Warum muß man Verlegern dabei zugucken, wie sie eingesparte Autorenhonorare in Sektempfänge für dickbäuchige Vertreter umsetzen und dabei rote Wangen vor Vergnügen bekommen? Wer will überhaupt noch für schäbige Würstchen doppelt soviel bezahlen wie in Hannover, nur weil er dabei von vielen Büchern umgeben ist? Besser ist es doch, im Schnäppchenmarkt eines Warenhauses in einer wirklich extrem ereignisarmen Großstadt – z.B. in Hannover – seinen Ennui zu pflegen und dabei fröhlich der schwitzenden Würstchen in Frankfurt zu gedenken.

Schließlich kehrte ich beladen mit unmodischen Tennissocken aus dem Sonderangebot zufrieden in den Bahnhof zurück und bat einen Bahnangestellten, mir das Stellwerk zu zeigen. Vorsorglich, für nächstes Jahr. Dann setz' ich mich nämlich drauf.

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