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Große Würfe für die „Bürger“

■ Bremerhavener Galeristen holen Kunst ins Zentrum und wettern gegen Größenwahn

Eine Woche lang wird jetzt die „Bürger“, die zentrale Einkaufsmeile in der Bremerhavener Innenstadt, zur Kunstmeile. 20 Geschäfte, eine Bank und zwei Kaufhäuser haben in ihren Schaufensters Platz für 23 KünstlerInnen aus der Region freigeräumt. Bis zum kommenden Sonntag zeigen 18 Frauen und fünf Männer aus Bremerhaven, Bremen und Umgebung Gemälde, Graphiken, Collagen, Zeichnungen und Objekte.

„So wenig wie die teilnehmenden Geschäfte Ramschware anbieten, so wenig handelt es sich bei der ausgestellten Kunst um Massenware oder Hobbykunst“, betont der Ini-tiator Jürgen Milchert im kleinen, feinen Ausstellungskatalog, der in allen Geschäften ausliegt. Die Aktion der Bremerhavener Initiative für Kultur (BIK) ist ein erster großer Versuch, aus dem Kunst-Getto der kleinen Galerie („Galerie 149“) auszubrechen, die die beteiligten KünstlerInnen seit 1992 ehrenamtlich leiten und die in Bremerhaven zum wichtigsten Ausstellungsort für KünstlerInnen aus der Umgebung geworden ist.

Mit Blick auf städtebaulichen Größenwahn schreibt der bekennende Ocean-Park-Gegner Jürgen Milchert in der Broschüre über Bremerhavens StadtplanerInnen: „In Erwartung des großen Wurfs verstreichen die kleinen Chancen. Jede Schnapsidee hat ihre Chance, wenn sie nur von außen kommt und genügend teuer ist, während für die Kultur in dieser Stadt immer weniger Geld bleibt und die Lebensqualität der Bürger sinkt. ,Größer, weiter, höher' ist die Devise einer Stadt, die sich selbst nicht findet, sich aber mehr Berufspolitiker leistet als jede andere vergleichbare große deutsche Kommune.“

Für alle BerufspolitikerInnen und solche, die es niemals werden wollen, veranstalten KünstlerInnen der BIK am heutigen Donnerstag ab 17 Uhr kostenlose Führungen zu den Kunst-Brennpunkten der Fußgängerzone. Besonderer Clou: Heute von 18 bis 20 Uhr werden alle Beteiligten in den Geschäften anwesend sein und über ihre Arbeiten Auskunft geben. Hans Happel

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